U8 Gerechte Landwirtschaft. Sozial und ökologisch

Präambel

Der primäre Sektor mit einem Anteil von heute nur rund 2% am BIP und insbesondere die Land- und Forstwirtschaft spielt seit Jahrzehnten im politischen und gesellschaftlichen Diskurs eine untergeordnete Rolle. Dabei hängen an diesem Sektor elementare Grundbedürfnisse wie etwa die Nahrungsmittelversorgung oder auch die Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme. Der voranschreitende Verlust der Biodiversität, Störungen im Wasserkreislauf, die Übernutzung und der Verlust von Böden, das drohende Waldsterben uvm. sind direkte Folgen des menschengemachten Klimawandels und der Art und Weise, wie diese natürlichen Ressourcen bewirtschaftet wurden und werden. Zudem zeigen sich gerade im Landwirtschaftsbereich weltweit die Folgen des auf Gewinnmaximierung ausgelegten Wirtschaftssystems: Akkumulation von Eigentum an Boden und Produktionskapazitäten in den Händen weniger, Missachtung und Dumping sozialer, ökologischer Standards und des Tierwohls sowie irreversible Schädigung der natürlichen Lebensgrundlagen. Und wie auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen, werden diese gerade auch globalen Ungleichheiten nicht reduziert, sondern etwa durch Freihandelsregime zementiert oder sogar verstärkt.

Es ist an der Zeit, diesen fatalen Trends eine moderne Politik entgegenzusetzen, die den Fokus auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit legt und globale sowie lokale Ungleichheiten abbaut. Von zentraler Bedeutung ist dafür, dass jegliche Form landwirtschaftlicher Produktion wieder in ein gesundes Verhältnis zu den dafür vor Ort erforderlichen Flächen gebracht wird. Das bedeutet eine Entflechtung und Dezentralisierung der Produktionsketten, was zugleich auch die Grundlage ist für ein deutlich höheres Maß an Verteilungsgerechtigkeit. Zudem können nur so die natürlichen Kreisläufe, Wasser- oder Nährstoffkreisläufe wieder geschlossen und weiterer Schaden von den Ökosystemen abgewendet werden. Seit Jahrzehnten zeigt sich weltweit ein Trend zum Verlust von Böden. Dieser Trend wird nicht aufzuhalten sein, wenn nicht auch nennenswerte Teile unserer Flächen der Verwertungslogik insgesamt entzogen werden, bis sie sich grundlegend regeneriert haben. Neben dem Schutz solcher Flächen, muss die kombinierte Nutzung Vorrang bekommen vor der einseitigen Nutzung. Das betrifft u.a. die Nahrungsmittelproduktion, Energiegewinnung und den Artenschutz. Vielmehr noch muss die Produktion von Nahrungsmitteln Vorrang bekommen vor der Produktion von Futtermitteln für Tiere.

Der Umgang mit den Flächen muss grundsätzlich auch die Auswirkungen auf den

Treibhausgashaushalt (THG-Haushalt) berücksichtigen und im Einklang mit der zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels erforderlichen THG-Emissionsminderung geschehen. THG-Quellen wie etwa die Methan-Emissionen der Fleisch- und Milchproduktion müssen massiv reduziert werden, während THG-Senken (Wälder, Moore, Böden) geschützt und ausgeweitet werden müssen. In diesem Sinne muss folglich, wo noch nicht geschehen, eine konsequente Quantifizierung des Treibhausgaspotenzials der jeweiligen Flächennutzung erfolgen. Darauf aufbauend müssen die Emissionen bepreist/besteuert werden.

Die Umsetzung all dieser Ziele erfordert Rahmenbedingungen, die das Verhältnis von Eigentum an Grund und Boden sowie Bewirtschaftung des Bodens grundlegend neu ordnet. Nicht mit dem Eigentum per se soll Geld verdient werden, sondern mit der gemeinwohlorientierten Bewirtschaftung desselben. Öffentliches Geld, wie etwa die europäischen Agrarsubventionen, sollen künftig nur noch für öffentliche Leistungen und im Sinne voranstehender Ziele gewährt werden. Handelsbeziehungen müssen fair sein, Ungleichheiten reduzieren, soziale, ökologische und Tierwohlstandards einhalten und verbessern und dürfen nicht weiter der ungebremsten Kapitalakkumulation dienen. Aus Ländern, in denen Hunger herrscht oder Wälder vernichtet werden, dürfen keine Agrarerzeugnisse mehr abgezogen werden. Nicht zuletzt und bis auf weiteres muss die Zuweisung der Klima- und Umweltschäden verursachergerecht erfolgen.

Boden, Eigentum und Agrarförderung

Die Verteilung von Land ist heute in der EU noch stärker aus dem Gleichgewicht geraten als die Verteilung von Vermögen. 2,7% aller Betriebe besitzen 50% der europäischen Fläche. 80% der Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gehen an die größten 20% der Betriebe. Dies bedeutet eine Abschöpfung der EU-Gelder von Landeigentümer*innen. Besonders betroffen sind osteuropäische Länder durch zunehmendes „Land Grabbing“, d.h. den Erwerb von Landeigentum durch oftmals ausländische Privatinvestoren oder Konzerne als Kapitalanlage.

Gerade in Ostdeutschland und Osteuropa wurden in den 1990er Jahren die öffnenden Märkte des ehemaligen Ostblocks genutzt, um die Landwirtschaft neoliberal umzubauen, mit der Folge, dass sich enorme Monopole gebildet haben. In Tschechien beispielsweise liegt über die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in den Händen von Betrieben mit über 1.000 Hektar. In Brandenburg kontrollieren die drei Konzerne, KTG, die Lindhorst-Gruppe und Odega allein schon 20% aller Flächen.

Was die Forstflächen in Deutschland angeht, sind d 48% Privatwald, 29% Staatswald der Länder, 3,5% Staatswald des Bundes und 19,4% Körperschaftswald. Hier ist eine Veränderung der Nutzung vonnöten, hin zu einer der ökologischen Herausforderungen entsprechend. Dabei müssen insbesondere die Staatswälder eine hervorgehobene Rolle spielen.

In Bayern sind 65% der Fläche unter Pacht. Zwischen 2008 und 2018 stiegen die Agrarlandpreise in Bayern um 156 Prozent. Nicht die flächenstärksten Betriebe, sondern bäuerliche Betriebe und insbesondere junge Menschen, die sich in der Landwirtschaft eine Existenz aufbauen wollen, müssen ein Vorkaufsrecht erhalten.

Kleinbäuerliche Betriebe weichen immer mehr wachsenden industrialisierten Agrarbetrieben. Die

Zahl der Bauernhöfe sank von knapp 400.000 Betrieben 1950 auf heute nur noch 110.000

Betriebe. Mit dem Sterben kleiner Betriebe werden verbleibende Betriebe immer größer. Mit der Betriebsgröße steigt auch die Tendenz zu größeren Schlägen (Agrarfläche). Negative Auswirkungen für die Artenvielfalt sind die Folge.

Zu der zunehmenden Verknappung auf immer größere Konzerne kommt es nicht, weil es an Instrumenten fehlen würden. Landkauf ab 1 Hektar ist bereits genehmigungspflichtig und die staatseigenen Flächen könnten überwiegend an kleine Betriebe verpachtet oder verkauft werden.

Leider zeigt sich, dass die Entwicklung entgegen anderweitiger Beteuerung politisch gewollt ist.

Die CSU gibt vor, die familiären Betriebe im Blick zu haben (Ilse Aigner als Landwirtschaftsministerin: „nicht die industrielle Landwirtschaft, sondern der bäuerliche Familienbetrieb“), fördert aber mit ihrer Politik klar die Monopolisierung der Landwirtschaft. Die Agrarlobby-Studie des NABU aus dem Jahr 2019 ist hier beispielhaft. So wird der Rechtsbegriff der „ungesunden Landverteilung“, welcher entscheidend für die Genehmigung von Landkauf ist, meist „wachstumsfördernd“ ausgelegt und somit dem expandierenden Unternehmen ein Allgemeininteresse angedichtet. Kleine Betriebe, gerade im Nebenerwerb haben dabei das Nachsehen.

Es braucht nicht weniger als einen Paradigmenwechsel weg von der „Wachsen oder sterben“-Philosophie des bayerischen Bauernverbands. Kleinstbetriebe müssen im Zentrum der Lebensmittelproduktion stehen. Zu diesem Ideal hin zu kommen bedeutet aber auch, dass man Entwicklungen der letzten 20 Jahre rückgängig machen muss.

Auf EU-Ebene fordern wir:

  • EU-Subventionen müssen angepasst werden, sodass Kleinstbetriebe, Nebenerwerb und Neugründungen überproportional profitieren. Schluss mit dem Gießkannenprinzip der Flächensubventionen.
  • Auch Kleinstflächenbesitzer*innen (unter 1 ha) müssen Subventionen erhalten
  • Rückabwicklung hin zur Eigentumsstreuung

Auf Bundesebene fordern wir:

  •  Gründung von gemeinnützigen, landeseigenen Siedlungsgesellschaften in allen Bundesländern. Dieses soll für längere Zeit Boden bevorraten und Land verpachten dürfen, um die bestehenden Agrarstrukturen zu sichern und durch eine breitere Streuung des Eigentums an Grund und Boden in den Händen von Landwirten zu verbessern. Dabei wollen wir langfristig für die Abschaffung von Eigentum auf Grund und Boden einsetzen, denn diese sind Allgemeingut. Für uns vorstellbar sind Nutzungsüberlassungen in Form von Erbpacht und genossenschaftliche Modelle
  •  Förderung von kleinen und mittleren Betrieben durch die Bodenverwertungs- und Verwaltungs-
  • GmbH (BVVG) und anderer staatlicher Flächenverwaltungsgesellschaften, insbesondere von Nebenerwerb und Neugründungen
  •  Konsequente Anwendung der rechtlichen Mittel gegen das Entstehen und Anwachsen der Agrarkonglomerate

Auf Landesebene (Bayern) fordern wir:

  • Jährlich Erstellung und Veröffentlichung eines repräsentativen Pachtpreisspiegel
  • Grundsätzliche Untersagung von Agrarlandverkauf an Nichtlandwirte sowie Gesellschaften, die von nicht-landwirtschaftlichem Kapital dominiert werden
  •  Ermächtigung der Bayrischen Siedlungsgesellschaften „auf Vorrat“  im Zweifel mit Vorkaufsrecht kaufen zu können
  •  Vorkaufsrecht für bäuerliche Existenzgründungen, auch wenn sie nur bis 120% des Verkehrswertes mitbieten können

Arbeitsbedingungen

In der EU arbeiten mehr als 22 Mio. Menschen in der Landwirtschaft. Es ändert sich die Art der

Arbeitsplätze von Selbstständigkeit und Familienarbeit hin zu abhängiger Lohnarbeit. Immer mehr Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gehen verloren. Die Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft schrumpfte von 1,3 Millionen 1950 über eine halbe Million 1980 auf nur noch 152 000 im Jahr 2012. Seit 1950 wurden in Bayern also über 1,2 Mio. Arbeitsplätze in der Landwirtschaft abgebaut.

Ursache für viele Probleme ist der Kostendruck, der durch Billigproduktion für den Weltmarkt entsteht. Davon profitieren aber ausschließlich die industriellen Agrar-, Verarbeitungs-, und Handelskonzerne, während die Umweltschäden von uns allen jetzt und in der Zukunft bezahlt werden. Insbesondere auch in der Forstwirtschaft ist eine Abkehr von einem ökologisch sinnvollen Waldkonzept hin zur reinen Nutzwaldlogik weit vorangeschritten. Erwartungsgemäß sind es auch hier nicht die (Forst)-Arbeiter*innen, welche von dieser vermeintlich höheren Wirtschaftlichkeit profitieren.

Die Zahlungen pro Hektar statt pro Arbeitskraft fördern die Vergrößerung der Agrarunternehmen und treiben die Bodenpreise in die Ho he, statt Arbeitsplätze zu schaffen. Denn je größer der Landbesitz, desto weniger Arbeitskräfte sind im Allgemeinen pro Hektar beschäftigt.

Mindestlohn in der Landwirtschaft

Der gesetzliche Mindestlohn gilt mittlerweile auch in der Landwirtschaft. Jedoch wird dieser durch Sonderregelungen für Saisonarbeiter*innen oft umgangen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass von den familienfremden Arbeitskräften fast 60% Saisonarbeitskräften sind.

Saisonarbeit

Eine besondere Problem für Saisonarbeitnehmer*innen sind die Vermittlungsagenturen, welche häufig horrende Summen für die Vermittlung, sowie für die Unterkunft verlangen. Durch die Nichtaushändigung können sie häufig nicht nachvollziehen, wie viel Geld sie wirklich verdienen.

Oft erfahren sie erst nach der Rückkehr, dass sie teilweise nur 2€ Stundenlohn bekommen haben. Diese Form der Ausbeutung muss dringend unterbunden werden. Es braucht gerechte Arbeitsbedingungen für alle, unabhängig ihrer Nationalität.

Gender

Mit 35,1% sind in der Landwirtschaft weniger Frauen tätig als in der Gesamtwirtschaft, wo sie 45,9% der Erwerbsbevölkerung ausmachen. Die meisten Frauen haben entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Studium absolviert. Sie haben im Bereich Bildung also die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen. Mit 10% an Frauen in Führungspositionen im Agrarbereich liegt Deutschland aber weit hinter dem EU- Durchschnitt von 28%.

Frauen in der Landwirtschaft sind oft durch mehr Arbeit belastet, da sie sich zusätzlich zu der

Arbeit auf dem Hof noch um den Haushalt und die Kinder kümmern. Sie arbeiten als sogenannte Familienarbeitskräfte. Wenn sie nicht angestellt sind, dann können sie auch nicht in die Rentenkasse einzahlen und haben Probleme mit der Sozialversicherung.

Rund 40% der Frauen in der Landwirtschaft haben keinen Arbeitsvertrag. Außerdem gehört in den meisten Fällen der Boden nicht den Frauen, sondern den Männern.

Auch bei der Suche nach einem Ausbildungsbetrieb haben Frauen immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen und werden teilweise abgewiesen, weil ihnen die harte körperliche Arbeit und der Umgang mit den landwirtschaftlichen Maschinen nicht zugetraut wird.

Arbeitsschutz

Der Schutz der Arbeiter*innen muss immer an höchster Stelle stehen. Das gilt grundsätzlich bei allen Arbeiten, egal ob Landwirtschaft oder auch Forstarbeit. Der Bodenschutz darf nicht auf Kosten der Arbeiter*innen gehen. Für manuelle Arbeiten braucht es einen hohen technischen Standard, ggf. mit Assistenzsystemen. Ist dies gewährleistet, geht der Schutz von Mensch und Natur Hand in Hand

Wir fordern:

  •  Es muss sichergestellt sein, dass Arbeit in Familienbetrieben ausgeglichen ist. Hierzu erscheint eine gesonderte Beratungsstelle für Frauen in der Landwirtschaft sinnvoll
  •  Lohndumping muss entschlossen entgegengetreten werden. Dazu braucht es u.a. mehr Stellen bei den Kontrollbehörden, dem Verbot der Praxis der Vermittlungsagenturen und die Unterkunftsabzüge müssen abgeschafft werden
  •  Wer am Hof Arbeit verrichtet muss auch angemeldet sein und das sozialversicherungspflichtig. Familienarbeit darf nicht kostenlos sein. Insbesondere im Alter profitieren Frauen dann von einer höheren, angemesseneren Renten
  •  Hohe technische Standards müssen gewährleistet werden. Auch hier sind u.a. mehr Stellen bei Kontrollbehörden nötig

Internationaler Handel mit Lebensmittel und anderen Agrarprodukten

Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind regelmäßig Gegenstand von (Frei-)Handelsabkommen (z.B. Mercosur) und gerade hier zeigen sich die Spannungsfelder zwischen wirtschaftlichen Interessen einerseits und der Einhaltung und Ausweitung sozialer und ökologischer Standards andererseits. Durch das Zusammenschalten von Märkten in einem Sektor, der zwangsläufig direkt auf Grund und Boden und den natürlichen Ressourcen aufbaut, wurden strukturelle Probleme bisher eher verstärkt als beseitigt. Viele sich entwickelnde Länder hängen stark von ihrer landwirtschaftlichen Produktion ab und partizipieren dennoch nur von einem kleinen Teil der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten. Bäuerliche Arbeit, die Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion ist, ist immobil und gerät im Kontext immer stärkerer Akkumulation von Ressourcen und Produktionskapazitäten zunehmend unter enormen wirtschaftlichen Druck mit direkten Konsequenzen auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards.

Die grundlegende Prämisse, dass landwirtschaftliche Produktion jeglicher Art in gesundem Verhältnis zu der dafür vor Ort eingesetzten Fläche stehen sollte, muss daher unbedingt auch für Handelsabkommen im Landwirtschaftsbereich gelten. Eine strenge Einhaltung dieses Grundsatzes führt nicht nur zu einer Dezentralisierung der Wertschöpfung und damit zu einer gerechteren Verteilung, sondern ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Produktion unter hohen sozialen Standards und im Einklang mit den begrenzten natürlichen Ressourcen erfolgen kann.

Um diesen Zustand zu erreichen, muss ein Konditionalitätsprinzip Einzug in jegliche Verhandlungen und Abkommen über internationalen Handel landwirtschaftlicher Erzeugnisse finden: Handelserleichterungen sind erst zu verantworten, wenn soziale, ökologische und Tierwohlstandards eingehalten werden. Dazu gehören im Einzelnen die Einhaltung der ILO- Kernarbeitsnormen, die Einführung und Einhaltung eines lokalen Mindestlohnes und die Gewährleistung hoher ökologischer Standards. Zugleich muss klar sein, dass in der EU nicht zugelassene Stoffe (etwa Pestizide, Düngemittel usw.) auch nicht zur Produktion für zum Export in die EU bestimmte Produkte andernorts eingesetzt werden dürfen. Natürlich kann das Konditionalitätsprinzip dazu führen, dass die gehandelten Mengen deutlich zurückgehen, das ist in diesem Zusammenhang jedoch sogar gewünscht. Es dient nämlich einer suffizienteren Landwirtschaft vor Ort und wird dazu führen, dass abgewanderte Wertschöpfung zurückkehren und mehreren Menschen zugutekommen kann. Soweit keine unmittelbaren existenziellen Nebeneffekte für ausländische Produzent*innen resultieren, ist im Ansatz protektionistische Handelspolitik vertretbar. Handel muss fair sein und wo das nicht gewährleistet ist, ist es gerechtfertigt, den Handel zwischenzeitlich einzuschränken.

Konkret fordern wir im Bezug auf die europäische Handelspolitik im Landwirtschaftsbereich:

  •  Fairhandel statt Freihandel (jegliche Maßnahmen und Abkommen müssen zu einer gerechteren Verteilung der Wertschöpfung führen sowie zu einer Verbesserung der sozialen, ökologischen und Tierwohlstandards)
  •  Prämisse jeder Handelsvereinbarung muss sein, dass landwirtschaftliche Produktion nach und nach wieder in ein gesundes Verhältnis zu der vor Ort verfügbaren Fläche gebracht wird. Nur so kann ein nachhaltiger Wasser- und Nährstoffkreislauf wiederhergestellt werden
  •  Handelserleichterungen sind erst zu rechtfertigen, wenn soziale, ökologische und Tierwohlstandards eingehalten werden (Konditionalitätsprinzip)
  •  Die Einhaltung dieser Standards sollte durch internationale öffentliche und/oder nicht gewinnorientierte (d.h. gemeinnützige) Zertifizierung erfolgen. Diese Zertifizierung ist partnerschaftlich mit den Handelspartnern zu ermöglichen
  •  Aus der EU exportierte Produkte dürfen den Absatz lokal produzierter Güter nicht gefährden und ausländische Märkte überschwemmen
  •  CO2 -Bepreisung von Holz: stoffliche gegenüber der energetischen Nutzung fördern; zum Beispiel durch ein fünfjähriges Kontrollsystem zur Verwertung des Holzes

Wir fordern die Einhaltung dieser Mindeststandards:

Soziale Standards:

  • Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und Einhaltung des lokalen Mindestlohns vor Ort
  • Zuallererst muss die Nachfrage vor Ort gedeckt werden, keine Importe aus Ländern, wo Hunger herrscht (Nahrungsmittelproduktion vor Tierfutterproduktion und Energiepflanzen)

Ökologische Standards:

  •  Kopplung Produktionsmengen an regional verfügbare Flächen (insbesondere bei der Milch und Fleischproduktion)
  •  Abkehr von Monokulturen
  •  In der EU nicht zugelassene Stoffe dürfen auch nicht für importierte Produkte eingesetzt werden
  •  Ressourcen vor Ort (Nährstoffe und Wasser) dürfen nur insoweit genutzt werden, wie sie sich natürlich nachbilden können (Kreislaufwirtschaft)
  •  Keine Importe aus Ländern, wo zur Produktion der Güter Wald vernichtet wird

Tierwohlstandards:

  • Ausschluss von pauschalen Antibiotika
  • Strengere Flächenvorgaben für die Tierhaltung
  • Verweis: Grundsatzpapier zu progressivem Tierschutz
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