S20 Erstellung eines „Masterplans Pflege“

Der SPD Landesparteitag-Antragsparteitag Bayern möge als Beitrag den Antrag zur Erstellung eines „Masterplans Pflege“ den Forderungskatalog beschließen und an die entsprechenden Parteigremien zur weiteren Beschlussfassung auf Bundesebene weiterleiten.

 

Angesichts des schlechten Zustandes unseres Pflegesystems muss die SPD dieses

Thema zu ihrer zentralen politischen Arbeit machen. Politik, Kranken- und

Pflegekassen, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Vertreter der Versicherten/soziale

Selbstverwaltung sowie Betroffenen-Verbände können gemeinsam mehr in der

Pflege bewegen. Nicht zuletzt zeigt uns die Corona Pandemie, wie anfällig unser Gesundheitssystem ist. Deshalb wird mit diesem Forderungskatalog eine umfassende Restrukturierung unseres Pflegesystems mit sozialdemokratischem Anspruch vorgeschlagen. Wir brauchen einen ,,Masterplan Pflege“, der sich nicht damit begnügt Details zu korrigieren und an sogenannten ,,Stellschrauben“ zu drehen. Vielmehr gilt es, den gesamten Pflegebereich und seine Einbettung in unser Gesundheitssystem auf den Prüfstand zu stellen und angesichts des demographischen Wandels nachhaltig zukunftsfähig zu verbessern.

Die folgenden Punkte sollen bei der Erstellung „Masterplans Pflege“ in die Beratungen einbezogen werden.

 

  1. Zurück zur bedarfsgerechten Personalplanung statt Finanzierung über die sogenannten Fallpauschalen.

Da das Finanzierungsmodell der Krankenhäuser über Fallpauschalen und DRG’s (Diagnosis related groups) bei uns genauso wie zuvor in anderen Ländern versagt hat, sollte es auf den vorherigen Stand wieder rückgängig festgelegt werden. In der Krankenpflege sowie in der ambulanten und stationären Altenpflege sind für alle Fachbereiche Personaluntergrenzen auf Bundesebene gesetzlich festzulegen. Bis dies erreicht ist, sind die Länder ermächtigt, über Landesgesetzgebung dies sicherzustellen. Die Refinanzierung muss über die Kranken- und Pflegekassen garantiert sein. Die gängige Praxis, dass Pflegebedürftige wegen der Fallpauschalen-Regelung nicht austherapiert aus dem Krankenhaus entlassen werden und die weitere Behandlungspflege der entlassenen Pflegeheimbewohner zu Lasten der Pflegekassen statt der Krankenkassen geht ist nicht weiter hinnehmbar und muss korrigiert werden. Die Pflegeleistung wie auch der

Patientenschlüssel in einem Krankenhaus oder Pflegeheim werden als

Qualitätsmerkmal definiert. Um die Durchsetzungsfähigkeit pflegerischer Anliegen zu gewährleisten, sollen die Führungsgremien in Kliniken und Pflegeeinrichtungen paritätisch mit Pflegedirektoren/-innen und medizinischem Fachpersonal besetzt werden.

 

 

  1. Ausbildungssystem und Einwanderungsgesetzgebung sind der künftigen Sicherstellung des Personalbedarfs anzupassen.

Zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs wird ein bundeseinheitliches FachkräfteMonitoring auf der Grundlage fortlaufend aktualisierter regionaler Daten entwickelt.

Abgeleitet von der Bedarfsprognose werden die erforderlichen

Ausbildungskapazitäten der Bundesländer ermittelt. Diese setzen ihre

Ausbildungskapazitäten entsprechend fest. Um den Bedarf der erforderlichen Lehrkräfte in Schulen und der Praxisanleiter/-innen in den Betrieben zu decken, werden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bedarfsgerecht erhöht. Um den Bedarf der Berufsfachschulen für Pflege zu decken, wird flächendeckend ein staatlicher Studiengang „Pflegepädagogik“ eingerichtet (in Bayern nur 7-mal angeboten). Die Anerkennung qualifizierter und qualifikationswilliger Migranten ist umgehend zu beschleunigen und zu entbürokratisieren. Bedarfsgerechte

Integrationshilfen sind vorzusehen. Migranten, die bereit und fähig sind, in der Pflege zu arbeiten oder sich ausbilden zu lassen, erhalten kostenlose Sprachkurse.

Normale Integrationskurse reichen nicht aus! Das Einwanderungsgesetz muss die Möglichkeit des ,,Spurwechsels“ vom Asyl- ins Einwanderungsrecht ausdrücklich anbieten.

 

 

  1. Überführung der Ausbildung zur Pflegefachkraft in das duale System. Die neue duale und generalistische dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft soll Kern eines durchlässigen, und anschlussfähigen Ausbildungssystems werden. Die Helferin- Ausbildungen werden ebenfalls generalistisch ausgerichtet, ermöglichen Schulabschlüsse und sind anschlussfähig hin zur FachkraftAusbildung. Dabei ist sicherzustellen, dass eine Generalisierung der Ausbildung nicht zu Lasten der Pflegefachschulen geht. Akademische Weiterbildungen werden praxisgerecht ausgebaut. Ausbildung in Teilzeit muss ermöglicht   Berufsbegleitende Ausbildung muss finanziell attraktiver werden. Auszubildende erhalten eine Ausbildungsvergütung gemäß Berufsbildungsgesetz BbiG. Wie in der dualen Ausbildung werden die Ausbildungsplätze in der Pflege an die Agentur für Arbeit gemeldet und dort statistisch erfasst. Dies ermöglicht eine bessere Vermittlungsquote der Bewerberinnen und Bewerber und erleichtert die Anpassung der Kapazitäten aufregionaler Ebene. Im Rahmen der Berufsorientierung in den Schulen und derJugendberufsagenturen wird das Berufsbild Pflege offensiv, begleitet von einerbundesweiten Werbekampagne, integriert.

 

 

  1. Sofortige Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld.

Das bedeutet im Wesentlichen

+ Sicherstellung der Fachkraftquote und Entbürokratisierung der Arbeit. + Verlässliche Dienstpläne, die familiengerechte Arbeits- und Freizeiten       ermöglichen

+ keine Monsterschichten, geteilten Dienste oder Schaukelschichten

+ Verbindliche Jahres- und Urlaubspläne, Aufbau entsprechender Springer-Pools

+ betriebliches Gesundheitsmanagement, denn Pflege ist körperliche

Schwerstarbeit

+ Bauliche, technische und materielle Verbesserungen am Arbeitsplatz, Auflage       eines  entsprechenden Investitionsprogramms.

Pflege ist eine Mensch-zu-Mensch Beziehung.

Doch müssen Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, um die Qualität     der Pflege zu erhöhen und Pflegekräfte zu entlasten. Gewonnene zeitliche

Spielräume durch

Digitalisierung, durch assistierte Lösungen oder durch Robotik dienen dazu, mehr Zeit für die Mensch-zu-Mensch-Beziehung in der Pflege zu gewinnen. Instabile lT und  Zeitlupeninternet wirken jedoch entgegengesetzt und sind unzumutbar. Eine

Entbürokratisierung, d.h. vor allem Verminderung des überbordenden Dokumentationsaufwandes, setzt Ressourcen frei. Gute Arbeitsbedingungen umfassen also eine Senkung der Arbeitsintensität durch bessere

Personalausstattung, betriebliches Gesundheitsmanagement, Entbürokratisierung,

Digitalisierung und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gute berufliche Fort- und Weiterbildung beugt Überforderung durch unzureichende Kenntnis vor, sichert eine gleichbleibende Qualität der Pflege und macht den Pflegeberuf attraktiver.

 

 

5.Leistungsgerechte Bezahlung.

Mit den Sozialpartnern wird ein Pakt „Neustart in der Pflege“ initiiert mit dem Ziel eines bundesweiten sozialen Flächentarifvertrags in Anlehnung an TVÖD, dem sich auch die privaten, gemeinnützigen und kirchlichen Träger anzuschließen haben. Damit ist auch die Angleichung des immer noch unterschiedlichen Lohnniveaus zwischen Kranken- und Altenpflege gewährleistet. Für den künftigen

Gesundheitsfachberuf „Pflegekraft“, muss eine einheitliche Vergütung sichergestellt werden. Der existierende Mindestlohn für Hilfskräfte in der Altenpflege muss den Lebenshaltungskosten angepasst werden.

 

 

  1. Zeitgemäße und praxisorientierte Qualitätssicherung.

Gute Pflege benötigt gute Qualität auch durch Aufsicht und Kontrolle. lm PLG II sind die Kontrollrechte des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) gestärkt worden. Die Kassen müssen die Umsetzung sicherstellen. Dies darf aber nicht durch immer mehr bürokratische, damit pflegefremde Anforderungen erfolgen. lm sinne einer Minderung des Dokumentationsaufwandes, damit Entbürokratisierung der pflegerischen Arbeit, ist eine Neugewichtung der Funktionen der Kontrollgremien Heimaufsicht und MDK hin zu mehr Beratung notwendig. Konkret heißt dies beispielsweise eine höhere Wertung des  Zustandes eines Pflegebedürftigen als ein sechs Monate zurückliegender fehlender Eintrag in die Dokumentation. Bezüglich der häuslichen Pflege ist im SGB II vorgesehen, dass auch der Sozialhilfeträger die Prüfungen des MDK beauftragen kann. Beratungsbesuche bei pflegenden Angehörigen durch die Kassen sollen qualifiziert nach einheitlichen Standards durchgeführt werden. Auch Kontinuität in der Unterbringung und Betreuung sind ein wichtiges Qualitätsmerkmal, welche einer regelmäßigen Kontrolle bedürfen.

 

 

  1. Unterstützung von pflegenden Angehörigen durch die flächendeckenden. 2008 wurden in der Pflegeversicherung ( § 92c SGB XI ) Pflegestützpunkte eingeführt, um eine flächendeckende, neutrale und niedrigschwellige Beratung für alle Angehörigen und Pflegebedürftigen zu schaffen. Diese Aufgabe haben die Länder sehr unterschiedlich umgesetzt‘ Deshalb müssen im SGB XI für das gesamte Bundesgebiet gesetzlich bindende Standards festgelegt und in allen Ländern einheitlich verwirklicht werden. Aus den bisherigen Erfahrungen kann auch eine qualitative Weiterentwicklung abgeleitet werden: Vernetzung im Sozialraum, aufsuchende Beratung, interkulturelle Öffnung, aktive Begleitung der Digitalisierung sollen gestärkt werden. Beratungsangebote für pflegende Kinder und Jugendliche sowie für Familien, die ihre Kinder pflegen, müssen gestärkt werden.
  2. Bessere Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Beruf.

Der VdK-Forderung folgend sind eine „Pflegepersonenzeit“ und

„Pflegepersonengeld“ einzuführen. Dabei sind Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und Familienpflegezeitgesetz  (FPfZG) entsprechend zusammenzuführen und weiter zu entwickeln. Nutzerfreundliche Ausgestaltung des Rechtsanspruchs für pflegende Angehörige auf 10-tägige Freistellung mit Lohnfortzahlung, um einen niederschwelligen Zugang analog zum Kinderkrankengeld  zu ermöglichen. Freistellung sowie eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung über einen längeren Zeitraum, analog zum Elterngeld. Überarbeitung des Konzepts Familienpflegezeit. berücksichtigt werden sollen auch die Einbeziehung von nichtFamilienangehörigen und existenzsichernde Teilzeitarbeit. Ein Rechtsanspruch zum Erwerb von Rentenansprüchen der berufstätigen pflegenden Angehörigen ist einzuführen und ggf. aus Bundesmitteln zu finanzieren.

 

 

  1. Verstärkte Überführung ehrenamtlich Zuhause Gepflegter in professionelle

Aus qualifikatorischer und familienpsychologischer Sicht, ist der Wechsel aus ehrenamtlicher, häuslicher Pflege zu professionellen häuslichen Pflegediensten bzw. stationären Einrichtungen zu fördern und zu unterstützen.

 

 

10.Umwandlung der Pflegeversicherung in eine Vollversicherung mit festem Eigenanteil.

1995 war die Einführung der Pflegeversicherung ein Meilenstein zur sozialen Absicherung pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen. Doch obwohl Sie unter der Maßgabe eingeführt worden war, sie zu gegebener Zeit auf ihre Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit zu überprüfen, hat diese Prüfung nie stattgefunden. Nach wie vor ist sie eine Teilversicherung, die nur einen festen Zuschuss zu den tatsächlichen Pflegekosten gewährt. Dadurch steigt der zu leistende Eigenanteil kontinuierlich an. Auch aufgrund des demographischen

Wandels, wachsender Pflegebedürfnisse und moderner Familien- und

Erwerbsstrukturen fordern wir daher entsprechend dem Vorbild der

Krankenversicherung eine Pflegevollversicherung mit festem Eigenanteil. In diesem

Zusammenhang sind aus Gründen der Transparenz, Gerechtigkeit und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen eine Vereinheitlichung der

Abrechnungsgrundlagen für stationäre und ambulante Pflege herbeizuführen. Darüber hinaus ist eine verpflichtende Bürgerversicherung für alle nicht nur in der Kranken-, sondern auch in der Pflegeversicherung überfällig.

 

 

  1. Die Altersvorsorge für Pflegeangehörige ist der geleisteten Arbeit sowie dem Berufsrisiko anzupassen.

Die Arbeit in der Pflege ist, ebenso wie eine gesicherte Altersversorgung, Maßstab eines funktionierenden Sozialstaates. Berufstätige in der Pflege sollen deshalb Anspruch auf eine Altersvorsorge haben, die jener der Bergleute unter Tage im Rahmen der knappschaftlichen Rentenversicherung entspricht. Auf Grund der vorteilhafteren Berechnungsfaktoren zeitlich früher eine höhere Rente bekommen zu können sowie bessere Bedingungen für Berufsunfähigkeitsrente und berufliche Reha, wäre auch Anreiz für eine entsprechende Berufswahl. Die Finanzierung der höheren Rentenbeträge hat aus Steuermitteln zu erfolgen, da zukunftssichere und menschenwürdige Pflege eine gesellschaftliche Verpflichtung darstellt, deren

Kosten insofern nicht von den Beitragszahlern, sondern von der gesamten Steuergemeinschaft zu tragen sind. Die Steuermittel können über den bereits jetzt gezahlten jährlichen Bundeszuschuss an die gesamte Rentenversicherung bereitgestellt werden. Arbeits- und Ausbildungsunterbrechungen wegen Pflege von Familienangehörigen sind ebenso wie die Zeiten zur Überführung in stationäre Pflege als Ausfallzeiten zu berücksichtigen.

  1. Die Mittel zur Finanzierung sind bereitzustellen.

Gegenstand dieses Antrags ist die zur Rettung der Pflege notwendige

Neuausrichtung des politischen Handelns auf allen Ebenen, nicht dessen Finanzierung. Eine Finanzierung ist möglich‘ Entscheidend ist einzig und allein der politische Wille So haben sich praktisch alle Bundesländer aus der Krankenhausfinanzierung immer mehr zurückgezogen, so dass notwendige

Investitionen zunehmend aus den unzureichenden Betriebserlösen der Fallpauschalen geleistet werden. Wir fordern deshalb den Wiedereinstieg in die Krankenhausfinanzierung gemäß Gesetz (KFG) durch die Bundesländer.

 

 

  1. Pflege gehört in die Mitte unserer Gesellschaft.

Entscheidungen in der Pflege werden nicht nur für die eine Million professionell Pflegenden, sondern sie werden für jeden Bürger spürbar sein. Denn Jeder ist irgendwann einmal in seinem Leben auf ein funktionierendes Pflegesystem angewiesen. Wie das Gesundheitssystem insgesamt, ist ein funktionierendes Pflegesystem deshalb ureigenste staatliche Aufgabe und Verfassungsauftrag und gehört deshalb in öffentlicher Hand und nicht an die Börse. Die Kommunikation darüber muss in die Lebenswelten der Menschen getragen werden: Kita, Familie, Schule, Universität, Kultur, Arbeitsplatz, Sportverein, u.v.m. Pflege gehört zur Lebensplanung dazu. Die Notwendigkeit unseres Anliegens ergibt sich neben grundsätzlichen gesellschaftspolitischen und sozialen Begründungen aus der aktuellen Situation im Gesundheit- und Pflegebereich. Daher bitten wir um die Annahme dieses Antrages zum Wohle aller Beteiligten in der Pflege.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt durch Regierungsprogramm der BayernSPD 2023, Überweisung an Bundestagsfraktion
Barrierefreies PDF: