S5 Reform des Bundesfreiwilligendienstes (BFD)

Status:
Nicht abgestimmt

Der Bundesfreiwilligendienst, kurz BFD oder Bufdi, ist mittlerweile über zehn Jahre alt. Gegründet als Nachfolgestruktur des Zivildiensts, der gemeinsam mit dem Aussetzen des Wehrdiensts wegfiel. Im Allgemeinen wird der BFD als Erfolg angesehen, zuletzt (Stand 2021) mit bundesweit über 37.000 Freiwilligen. Anders als ein FSJ/ FÖJ usw. richtet sich der BFD nicht nur an junge Menschen, sondern an Menschen aller Altersgruppen. Trotzdem nehmen diese Möglichkeit vor allem Personen in einem Alter von bis zu 26 Jahren war, etwa 80%. Während der BFD seit seiner Einführung von den Freiwilligen gut angenommen wurde, die Zielmarke von 35.000 Freiwilligen wurde schon 2012 erreicht, hält sich Kritik aber dennoch hartnäckig: von der Schaffung von billigen und unqualifizierten Arbeitskräften, als Alternative zu Ein-Euro-Jobber*innen, über die Unterbezahlung, hin zum Ausnutzen von sozialem Engagement.

Problematisch ist auch, dass das Wahrnehmen eines solchen Freiwilligendienstes noch immer ein Privileg darstellt. Gerade junge Menschen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten, die nicht von ihren Eltern oder sonstigen Verwandten und Bekannten bezuschusst werden können, werden hier ausgeschlossen. Denn der BFD stellt als freiwilliges Engagement einen unentgeltlichen Dienst dar, die Freiwilligen bekommen keinen Lohn, sondern eine Aufwandsentschädigung. Diese besteht aus einem monatlichen Taschengeld von bis zu 426€ (Stand 2021) bei einem Vollzeiteinsatz. Dazu kommen, je nach Gutdünken der Einsatzstelle, beitragspflichtige Einnahmen in der Sozialversicherung dazu: Geld für Verpflegung (bis zu 236€, Stand 2021) und Unterkunft (höchstens 223€, Stand 2021). Ob neben dem Taschengeld weitere Leistungen angeboten oder bezahlt werden, entscheidet die Einsatzstelle, genau, wie über die Höhe des Taschengeldes. Leider verzichten viele Einsatzstellen darauf, diese Leistungen anzubieten, die Freiwilligen werden weder direkt mit Verpflegung und Unterkunft versorgt, noch indirekt durch finanzielle Leistungen. Das kann auch kaum verwundern, denn während der Bund einen Teil, oder die Gesamthöhe des Taschengeldes trägt, müssen jegliche Zusatzleistungen von der Einsatzstelle selbst übernommen werden. Wie die Einsatzstellen mit der konkreten Nachfrage nach den Zusatzleistungen umgehen unterscheidet sich stark, während die einen ihren Freiwilligen ein Engagement ermöglichen wollen und ihnen finanziell entgegenkommen, reagieren andere irritiert, schließlich ist das Ziel des BFDs doch nicht die Bezahlung, sondern die Erfahrung und Unterstützung anderer. Dass der Einsatz aber für viele gerade Junge Menschen, die selbst für ihren Unterhalt aufkommen müssen zum „Draufzahlgeschäft“ wird, wird dabei geflissentlich übersehen.

Auch die Fahrtkosten werden nur in manchen Fällen freiwillig von der Einsatzstelle übernommen, während also beispielsweise Soldat*innen kostenlos den ÖPNV nutzen dürfen, geht bei manchen Freiwilligen ein Viertel ihrer Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten drauf.

Gerade wenn zeitlicher Aufwand und finanzielle Entschädigung nebeneinander gestellt werden zeigt sich eine große Diskrepanz und es wird klar, warum die Durchführung eines

Freiwilligendienstes vor allem eine Frage der eigenen Finanzkraft ist. Bis zum Alter von 27 müssen die Freiwilligen Vollzeit (40 Stunden pro Woche) arbeiten, ab 27 Jahren besteht die Möglichkeit einen Dienst in Teilzeit mit 20 Stunden durchzuführen. Bei einem maximalen Taschengeld wären das weniger als 2,50€ pro Stunde, weit entfernt vom aktuellen Niveau des Mindestlohns. Da sich der BFD aber eben auch an Menschen über 27 Jahren richtet, kommt das Konzept dem Ein-Euro-Job gleich. Hartz-IV-Empfänger*innen dürfen nur einen Bruchteil der Aufwandsentschädigung behalten, während sie zwischen 20 und 40 Stunden in der Woche arbeiten. Was als Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt oder Dienst an der Gesellschaft dargestellt wird, zeigt für seine Freiwilligen nur wenig Wertschätzung und hat noch weniger Potenzial zu motivieren. Für viele von ihnen ist der BFD also nur eine weitere Form von prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Ergänzt wird die Arbeit in der Einsatzstelle durch insgesamt 25 Seminartage, meist mit Betreuer*innen, die über den Einsatz hinweg als Ansprechpersonen fungieren, sollte es Probleme oder Unklarheiten bei der Einsatzstelle geben. In den meisten Fällen findet das erste Seminar aber nicht unmittelbar vor dem Einsatz statt und es vergehen Wochen bis Monate, was dazu führt, das sich viele Freiwillige nicht über ihre Rechte und Pflichten im klaren sind. Manchen wird klar, dass sie zu wenig bezahlt werden, dass es theoretisch Zusatzleistungen geben könnte, wenn die Einsatzstelle dies nur wollte, oder dass sie wie hauptamtliche Mitarbeiter*innen eingesetzt werden und es ihnen an Supervision und Anleitung mangelt, sie allein gelassen werden. Wer und in welcher Form die Bufdis pädagogisch betreut ist aber gesetzlich nicht vorgegeben, deshalb unterscheidet sich die Qualität dieser Betreuung von Dienstort zu Dienstort.

Die pädagogische Qualifikation, der Umfang der Betreuer*innen und ihr Wissen über die Rechte der ihnen Anvertrauten wird also nicht sichergestellt.

Anders als bei anderen Freiwilligendiensten wird nicht klar festgelegt, welche Aufgabenbereiche durch Bufdis abgedeckt werden dürfen. In manchen Kommunen gilt Unkrautjäten deshalb jetzt als Ehrenamt, mitfinanziert vom Bund. Es ist daher kaum verwunderlich, dass 2018 ein Drittel aller Bufdis ihren Dienst abbrachen, viele wegen Unterforderung und scheinbar sinnlosen Aufgaben. Gleichzeitig ist auch der Teil der Bufids, die sich stark überfordert fühlen und die unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen sind sehr groß. Viele Bufdis werden wie Fachkräfte eingesetzt, betreuen ohne weitere Aufsicht Kinder, sind alleine auf Station und werden nur ungenügend angeleitet. Das Recht auf Anleitung wird in vielen Dienststellen nur inkonsequent durchgesetzt. Eine zusätzliche Arbeitskraft lohnt sich nunmal besser, wenn sie auch selbstständig arbeitet und einen Teil des Arbeitsaufwands vollständig übernimmt.

Bleibt noch die Arbeitsmarktneutralität, übernommen vom Zivildienst. Diese Regelung soll eigentlich verhindern, dass Arbeitsplätze verloren gehen und durch billige Freiwillige gestopft werden. Genauso dient sich auch in gewisser Weise dem Schutz der Freiwilligen, denn sie dürfen nur als Zusatz, nicht als Ersatz eingesetzt werden, sowohl in ihrer Stelle, als auch im täglichen Betrieb. Diese Regelung hat sich aber als stumpfes Schwert herausgestellt. Dass über 35.000 Menschen einerseits wertvolle gemeinnützige Arbeit verrichten und gleichzeitig keine Jobs zerstören, oder ihre Schaffung verhindert wird, ist kaum glaubhaft. Es gehen durch die ungenauen Vorgaben bezüglich der Aufgabenfelder also Arbeitsplätze verloren, die mit dem Mindestlohn oder mehr entlohnt werden können und sollten. Stattdessen wird auf die Ausbeutung junger Menschen und von Menschen in prekären Verhältnissen abgezielt.

Vordergründig wird der BFD also gemeinhin als gemeinnützig und sozial sinnvoll angepriesen, die Sinnhaftigkeit eines freiwilligen Dienstes oder Engagements im Allgemeinen soll hier gar nicht kritisiert werden. Aber auch wenn zumindest offiziell keine politische Absicht hinter der Einführung des BFDs steht, ist doch ganz deutlich, dass hier eine neue Form des Prekariats geschaffen wurde, in der Menschen ausgebeutet werden, um den Arbeitsmarkt mit billigen Arbeitskräften zu fluten. Dies können wir nicht dulden.

Deshalb fordern wir:

  • die Erhöhung der Mindest- und Höchsthöhe des Taschengeldes und der Zusatzleistungen
  • die Verpflichtende Auszahlung von Zusatzleistungen auf Wunsch der Freiwilligen
  • die Möglichkeit für Freiwillige, sich während ihrem Einsatz, ähnlich wie Bafög-Empfänger*innen, von den Rundfunkgebühren befreien zu lassen
  • die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, was von einem BFD abgedeckt wird, um die Schaffung von Stellen ohne sozialen/ ehrenamtlichen Charakter zu unterbinden
  • die Vereinfachen des Wechselns der Einsatzstellen
  • die Stärkere Kontrolle der Einsatzstellen, zum Schutz der Freiwilligen
  • eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung, wer und in welcher Form die Bufdis pädagogisch betreut
  • die Verankerung und Stärkung der Rechte von Bufdis bezüglich Arbeitnehmer*innenrechte, Mitbestimmung und Repräsentation

 

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme
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