Gleichstellung ist schon längst erreicht? Frauen können heutzutage alles werden, wenn sie es nur wollen?
Wer einmal erkannt hat, wie tief verwurzelt tradierte Rollenbilder in unserer Gesellschaft sind, der ist sich ihrer Wirkkraft bewusst. Es sind diese Rollenbilder, die Frauen auch heute noch – subtil und subversiv – in bestimmte Richtungen lenken und ihnen das Verständnis regelrecht einpflanzen, was von ihnen in dieser Gesellschaft erwartet wird, was zu ihren vermeintlich „natürlichen“ Aufgaben gehört, was ihre Pflichten sind. Kurz: Was ihre Rolle eben ist.
Es beginnt bei der häuslichen Arbeit, geht weiter im Bereich der Kinderbetreuung und Erziehung, der Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige und umfasst somit im Grunde alle Bereiche, für es jemanden braucht, der sich ohne Bezahlung darum kümmert. Es sind weitestgehend die Frauen, die hierfür ihre bezahlten Arbeitszeiten reduzieren, jahrelang aus ihrem Beruf ausscheiden, sich zwischen der unbezahlten Arbeit zu Hause und dem Beruf aufreiben. Frauen leiden häufiger als Männer an Angststörungen, an Depressionen, somatoformen Störungen oder Burn-out-Syndrom – also an psychischen Erkrankungen, die unter anderem auf besonders hohe Belastungen im Alltag zurückzuführen sind. Durch jahrelange Teilzeitarbeit oder Elternzeit bedingte Pausen im Berufsleben erreichen Frauen im Durchschnitt eine deutlich niedrigere Rente als Männer. Während sie also bereits im Berufsleben auf Einkommen verzichtet haben, um die Familienfürsorgearbeit zu übernehmen, zieht sich dies im Alter fort.
Um die familiäre Fürsorgearbeit unter Paaren gleichberechtigter zu verteilen, muss die Politik Anreize schaffen.
Hierfür fordern wir: Eine Familienarbeitszeit, also ein Recht auf Teilzeit beider Elternteile, in Kombination mit einem Familiengeld, das ausbezahlt wird, wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren.
Doch auch jenseits der Frage um Arbeitszeitreduzierung werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt immer noch systematisch diskriminiert. 2019 lag in Deutschland der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Frauen mit 17,72 Euro 20 Prozent unter dem von Männern mit 22,61 Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt). Damit hat Deutschland eine der höchsten Gender Pay Gaps der EU. 2018 hatte der Unterschied 21 Prozent betragen, und 2014 waren es 22 Prozent. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat in einer Studie herausgestellt, dass sich die Lohnlücke in den vergangenen acht Jahren im EU-Durchschnitt lediglich um einen Prozentpunkt geschlossen habe. In Frankreich waren es sogar nur 0,1. Ohne verstärkte politische Anstrengungen zur Überwindung des Gender Pay Gaps wird es somit noch mehr als 80 Jahre dauern, bis Frauen und Männer EU-weit gleiche Löhne erhalten. Der Gender Pay Gap lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: darauf, dass Frauen durchschnittlich deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten, darauf, dass frauendominierte Berufe meist schlechter bezahlt sind als männerdominierte Berufe und schließlich auch darauf, dass Frauen trotz gleicher oder gleichwertiger Arbeit und gleichem Umfang weniger verdienen als Männer.
Wir fordern: Eine bessere Bezahlung in sogenannten systemrelevanten Berufen wie etwa in der Pflege, im Bereich Kindertagesstätten, im Einzelhandel.
Neben Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt trifft Frauen strukturelle Diskriminierung auch in anderen Bereichen. Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist eines, von dem unmittelbar nur Frauen betroffen sein können. Betroffene Frauen sind mit Blick auf den zeitlichen Druck, der von Gesetzeswegen vorgegeben ist, in einer äußerst schwierigen Situation. Für uns ist klar: Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein Verhütungsmittel, sondern ein medizinischer Eingriff mit gesundheitlichen Risiken. Kein Verhütungsmittel wirkt absolut sicher – das Risiko für eine Schwangerschaft ist im Falle von Geschlechtsverkehr immer gegeben. Frauen, die ungewollt schwanger werden und sich für einen Abbruch entscheiden, müssen in einem medizinisch fortschrittlichen Land wie Deutschland eine bessere Versorgung erhalten. Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss ferner enttabuisiert und die Informationen hierzu verbessert werden. Der in der GroKo erzielte Kompromiss zur Reform des §219a StGB verbessert die Situation von Ärzt*innen, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und ungewollt Schwangeren insgesamt nicht. Das Informationsverbot für Ärzt*innen bleibt darin bestehen, wodurch sich zum einen das Auffinden medizinisch sachgemäßer Informationen für Betroffene weiterhin als schwierig gestaltet und zum anderen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bestehen bleibt. Solange Ärzt*innen eine Anklage wegen einer Information auf ihrer Website fürchten müssen, solange werden weiterhin nur wenige von ihnen für diese Eingriffe bereitstehen.
Wir fordern:
- Die freie Wahl der Abbruchmethode muss bei den betroffenen Frauen liegen
- Methoden des Schwangerschaftsabbruchs müssen in der medizinischen Ausbildung verpflichtend verankert werden
- Universitätsklinken sollen Abbrüche standardmäßig durchführen
- die Beratungspflicht soll abgeschafft und vielfältige, niederschwellige Beratungsangebote geschaffen werden
- die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch und somit die Entkriminalisierung von Abbrüchen, was mit einer Enttabuisierung dieses Themas in der Gesellschaft einhergehen wird
- die Streichung des § 219 StGB, damit Ärztinnen und Ärzte über ihre Abbruchmethode informieren dürfen, ohne dafür bestraft zu werden
Neben Verbesserungen im Bereich Schwangerschaftsabbruch setzen wir uns auch für einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln für bedürftige Frauen ein. Viele Frauen in Deutschland können sich die Kosten für Pille, Spirale und Co. schlicht und ergreifend nicht leisten und verhüten deshalb unregelmäßiger, greifen zu weniger zuverlässigen Methoden oder verzichten ganz auf Verhütung. Frauen im Studium, in der Ausbildung, alleinerziehende Frauen in Minijobs oder Teilzeit – nicht nur Bezieherinnen von Sozialleistungen, sondern für viele Frauen darüber hinaus sind Verhütungskosten eine hohe finanzielle Belastung.
Wir fordern ein bundesweites Modell zur Übernahme der Kosten von Verhütungsmitteln für bedürftige Frauen über 25 Jahren.
Frauen sind ferner auch besonders häufig Opfer von Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt. Die Frauenhäuser und Frauennotdienste sind seit Jahren unterfinanziert. Um Frauen in dieser Notsituation besser helfen zu können, müssen die staatlichen Fördermittel hier aufgestockt werden.
Wir fordern: Mehr staatliche Finanzmittel für Frauenhäuser und Hilfseinrichtungen für von Gewalt betroffenen Frauen. Im Landtag soll ferner ein runder Tisch zu gesundheitlichen Folgen für von Gewalt betroffene Frauen eingerichtet werden.