B6 Mehr demokratische Teilhabe für junge Menschen

„Junge Menschen sind politisch, auch wenn immer noch versucht wird, Jugendlichen das politische Interesse abzusprechen. Doch was heißt eigentlich “unpolitisch oder politisch sein”? Für viele ältere Menschen geschieht die Politik nur in Parlamenten und nur, wer Teil eines Parlaments ist, ist auch Politiker*in. Jugendliche, die Freitags mit “Fridays for Future” auf die Straße gehen, werden nicht ernst genommen und schon gar nicht als politische Menschen wahrgenommen. Es gilt immer noch das Klischee von “diesen jungen Leuten”, die nicht wissen, was sie da tun. Die aktuelle Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass das politische Interesse bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren seit 2015 konstant relativ hoch liegt.

“Diese jungen Leute” wollen dabei vor allem auch selbst Ziele erreichen und nicht nur den “erwachsenen” Politiker*innen zuschauen. Gewünscht ist eine echte Partizipation, also eine aktive Teilhabe an Planungen, Entscheidungen und deren Verwirklichungen, die vor allem  den eigenen Lebensraum betreffen. Die Jugendlichen wollen Politik mitgestalten und nicht hören, wie über sie geredet wird. Sie wissen, was sie brauchen und können dies selbst artikulieren.

Jedes Projekt, das unter dem Titel “Jugendpartizipation” läuft, muss auf Wirkung ausgelegt sein.

Das bedeutet, dass es einen echten Einfluss auf Entscheidungen hat und nicht lediglich eine Scheinpartizipation darstellt. Nur so kann Partizipation für Jugendliche attraktiv sein. Die Jugendlichen müssen aktiv eingebunden sein, damit sie sehen, dass sie etwas bewirken können und dies auch weiter betreiben, sodass sie nicht nach einem Projekt direkt wieder demotiviert aufgeben. Deshalb sind zwei Aspekte wichtig, die zum Gelingen führen: hauptamtliches, geschultes Personal, dass die Beteiligung und Umsetzung konkreter Projekte ermöglicht und die Bereitstellung der dafür notwendigen Ressourcen. So ist gewährleistet, dass die jungen Menschen, die sich für Projekte einsetzen auch deren zeitnahe Umsetzung gestalten können.

Politische Bildung: Partizipation fördern

Bildung, so wie wir Jusos sie verstehen, befähigt Menschen, ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Sie bildet damit das Fundament einer demokratischen Gesellschaft. Politische Bildung meint insbesondere den Bereich der Bildung, in dem Menschen lernen, wie politische Prozesse funktionieren und wie man an ihnen mitwirken kann sowie Zusammenhänge im politischen Geschehen und in der Geschichte zu verstehen. Außerdem trägt sie ihren Teil dazu bei, dass Werte wie Toleranz und Solidarität ausgebildet und gestärkt werden. Politische Bildung erfolgt auf verschiedenen Wegen: Durch das Erlernen von theoretischem Wissen und das praktische Erfahren von partizipativen Prozessen.

Jede*r hat eine Meinung – egal ob zwei oder 52 Jahre alt. Insbesondere Jugendliche unter 18 Jahren haben durch den Ausschluss von demokratischen Wahlen weniger Möglichkeiten ihre Meinung einzubringen. Unabhängig davon artikulieren junge Menschen ihre Meinung anders, als erwachsene Menschen, dieser Besonderheit im Engagement Jugendlicher muss entgegen gekommen werden. Mitbestimmung ist dabei ein Lernprozess, der so früh wie möglich beginnen muss. Bereits in der Kita können Kinder in Entscheidungen eingebunden werden. Sie lernen dabei, dass ihre Meinung zählt und eine Rolle spielt, und sie lernen auch auf andere Meinungen zu achten.

Während die Bereiche, in denen Kleinkinder mitbestimmen, sich noch auf kleinere, kurzfristige Entscheidungen beschränken, sollen die Möglichkeiten von Schüler*innen je nach Alter und Selbstständigkeit weiter wachsen. Dies betrifft sowohl die Gestaltung des Unterrichts als auch außerunterrichtliche Bereiche.

Jugendbeteiligungsformate müssen altersangemessen, niedrigschwellig und motivierend gestaltet werden. Hierfür sind innovative Methoden zur Gestaltung von Diskussions- und Gruppenprozessen einzusetzen. Insbesondere sollen auch Methoden gefunden werden, die Kinder im Vorschul- und Grundschulalter an stadtplanerischen Vorgängen die sie betreffen spielerisch beteiligt.

Partizipation im Unterricht

Unterricht, der Schüler*innen ermöglicht, eigene Entscheidungen über Lerninhalt und -methodik zu wählen, ist in unserem aktuellen Schul- und Unterrichtssystem kaum möglich. Volle Lehrpläne und Leistungsdruck dominieren den Alltag ebenso wie Frontalunterricht, in welchem die Lehrkraft bestimmt, wie häufig die Schüler*innen etwas beitragen dürfen. Um selbstbestimmten Unterricht ermöglichen zu können, müssen Freiräume durch erneuerte Lehrpläne und Stundentafeln geschaffen werden, sodass Kinder und Jugendliche – teils individuell, teils in Gruppen – wählen können, was und in welcher Art und Weise sie lernen möchten. Auch die Lehrkräfte müssen in Aus- und Weiterbildung dazu befähigt werden, ihren Schüler*innen Partizipation im Unterricht zu ermöglichen.

Politische Bildung als Lerninhalt

In der Schule wird politische Bildung in Bayern vor allem im Fach “Politik und Gesellschaft” (vormals: Sozialkunde) bzw. “Sozialwesen” verortet, welches je nach Schulart unterschiedlich intensiv, jedoch stets mit sehr niedrigem Stundenkontingent unterrichtet wird. So hat ein*e Schüler*in am Gymnasium eine Stunde Klasse 10, zwei Stunden Klasse 11, je eine 12 und 13, insgesamt also fünf Wochenstunden Unterricht in Sozialkunde, was im Vergleich aller Schularten das Maximum darstellt. Das ist in unseren Augen zu wenig!

Ein Ziel des Faches ist, Schüler*innen zu Diskussionen anzuregen. Dies ist in diesen kurzen Zeitabschnitten kaum möglich. Wir fordern deshalb sowohl die Erhöhung des Stundendeputats für Politikunterricht als auch an dieser Stelle eine Flexibilisierung der Lernzeiten langfristig über ein Aufbrechen des starren Stundenrhythmuses sowie die Etablierung von Lernen in Projekten. Politikunterricht beziehungsweise passende Projekte sollten dabei ab der ersten Klasse ihren Raum bekommen, wobei von Anfang an Bezug auf die aktuelle Tagespolitik genommen werden sollte. Es gilt, das Interesse von Kinder für Politik zu wecken und aufrechtzuerhalten. Dies kann und sollte auch durch den Austausch mit Mandatsträger*innen oder Kandidierenden der demokratischen Parteien, denen die AfD nicht angehört, aller politischen Ebenen geschehen, um Politiker*innen nahbar zu machen. Ziel dabei ist es auch, die in den letzten Jahren teilweise verstärkt befeuerte Skepsis gegenüber Parteien und Parlamenten abzubauen. Ebenso sind Gesprächsrunden oder Projekte mit Gewerkschaften und Verbänden zu fördern sowie der Besuch von Orten mit politischer Relevanz wie zum Beispiel Gedenkstätten oder Parlamente.

Bei der politischen Bildung, insbesondere der Zusammenarbeit mit Parteien und Organisationen, ist die Einhaltung des Beutelsbacher Konsenses selbstverständlich sicherzustellen. Dies bedeutet, dass Schüler*innen durch die Lernangebote befähigt werden müssen, sich ihre Meinung zu bilden und sich an politischen Prozessen zu beteiligen, und dass strittige Meinungen aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt werden müssen. Dabei bleibt zu betonen, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und Sexismus keine strittigen Themen sind, sondern strikt abgelehnt werden und in der freiheitlich demokratischen Grundordnung keinen Platz haben. Menschen, Parteien und Verbänden, die dies nicht glaubhaft vertreten, ist in der Schule kein Podium zu bieten.

SMVen stärken

In der  “Schülermitverantwortung” (sic) (kurz SMV) können sich Jugendliche an weiterführenden Schulen engagieren, um ihre Schule mitzugestalten. An der Spitze des Gremiums stehen die von der Schüler*innenschaft oder der Klassensprecher*innenversammlung gewählte Schüler*innensprecher*innen. Die SMV hat dabei nach Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz das Recht, über alle die Schüler*innenschaft betreffenden Belange informiert zu werden, Beschwerden vorzubringen, zwischen Schüler*innen und Lehrkräften oder Schulleitung zu vermitteln sowie Wünsche bezüglich des Schulalltags und Schulveranstaltungen vorzubringen und bei der Umsetzung mitzuwirken. Inwieweit die SMVen dabei an ihren Schulen tatsächlich ihre eigenen Ideen und Vorstellungen umsetzen können, hängt allerdings stark von der jeweiligen Schulleitung ab. Wir fordern, dass gewisse Rechte den SMVen über die aktuellen Bestimmungen hinaus grundlegend eingeräumt werden. Hierzu gehört zum einen das Recht auf ein mehrtägiges, außer Haus stattfindendes SMV-Seminar an allen weiterführenden Schulen, das jährlich zu Beginn des Schuljahres stattfinden soll. Die SMVen können hier ihre gemeinsamen Ziele festlegen und sich als Team finden. Das Seminar soll vollständig finanziert werden. Darüber hinaus sind den SMVen weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Projekte umgesetzt werden können. Insbesondere sollen dabei politische Projekte unterstützt werden, die über aktuellen Aktivitäten wie einen Kuchenverkauf und eine Halloweenparty hinausgehen.

Wir fordern außerdem, dass Schüler*innen in bestimmten Bereichen alleinige Entscheidungsrechte haben. Dies kann beispielsweise die Verwendung von einem niedrigen einstelligen Prozentanteil des Schulbudgets oder die Auswahl und das Angebot von Wahlfächern betreffen. Außerdem sind den SMVen die notwendigen Räumlichkeiten für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen. Diese sollten auch außerhalb der Schulöffnungszeiten erreichbar sein, da sich die Schüler*innen während der Schulzeit vorwiegend im Unterricht aufhalten und deshalb keine Aktionen planen können.

Auch die Betreuung der SMV durch eine oder mehrere Verbindungslehrkräfte hängt stark von den gewählten Personen ab – von völligem Desinteresse über angemessene und erwünschte Begleitung bis zur Bevormundung. Sowohl für Schulleitungen als auch für Verbindungslehrkräfte sollten deshalb regelmäßige Weiterbildungen angeboten werden, in denen sie lernen, wie sie partizipative Prozesse gestalten und die SMV im richtigen Maße unterstützen können.

Partizipationsmöglichkeiten in der Freizeit

Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in oder bei Hausaufgaben und Lernen mit der Schule. Bereits für Kinder in der dritten und vierten Klasse nimmt die häusliche Vorbereitung einen großen Zeitraum am Nachmittag ein. Um sich entfalten zu können, ist es aber ebenso notwendig, den eigenen individuellen Hobbys nachgehen zu können. Schulen in Bayern sollten daher grundsätzlich als rhythmisierte Ganztagsschulen organisiert sein, dami nach Ende der Schule auch alle schulischen Pflichten erfüllt sind. So haben sie die Möglichkeit, Sport zu treiben oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Auch in Vereinen und Verbänden sollen die Möglichkeiten der Mitbestimmung für Kinder und Jugendliche gestärkt werden.

Mitbestimmung in der Ausbildung

Während es auch in Berufsschulen SMVen gibt und die Auszubildenden hier – zumindest teilweise – mitbestimmen dürfen, ist eine Mitbestimmung im Ausbildungsbetrieb bei weitem nicht sichergestellt. In Unternehmen mit Betriebsrat vertreten Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) die Interessen der Auszubildenden. Hat ein Unternehmen keinen Betriebsrat, so ist auch die Bildung einer JAV aktuell nicht möglich. Diesen Zustand halten wir für nicht tragbar und fordern, dass in allen Unternehmen die Gründung einer JAV möglich ist!

Damit die JAV eine echte Mitbestimmung besitzt, fordern wir unabhängige Handlungsmöglichkeit auch ohne Zustimmung des BR in Fragen der Jugend, Auszubildenden, Dual Studierenden und Praktikant*innen. Dies muss unter einem verstärkten Kündigungsschutz, Versetzungsschutz und der Zusicherung einer unbefristeten Übernahme von JAV‘s nach der Ausbildung geschehen, um ohne Sorge auch bei schwierigen Fragen aktiv werden zu können. Uns ist wichtig die Möglichkeiten der Mitbestimmung durch Azubis, Dualis, Jugendlichen und Praktikant*innen in möglichst viele Betriebe zu tragen, weswegen die Altersgrenze für die Gründung einer JAV abgeschafft werden soll und bereits ab 3 Azubis, Dualis, Jugendlichen oder Praktikant*innen deren Einsatz länger als 3 Monate andauert, möglich sein muss.

Politische Bildung über die Schule hinaus

Mit dem Abschluss der Schule und der Ausbildung endet Lernen nicht. Vielmehr erlernt man sein Leben lang neues Wissen und neue Fertigkeiten, die nicht ausschließlich mit dem eigenen Beruf zusammenhängen müssen. Hierzu gehört auch die Fortbildung im Bereich der politischen Bildung. In allen Bundesländern außer Sachsen und Bayern haben Arbeitnehmer*innen für Weiterbildung in den verschiedensten Bereichen die Möglichkeit, Bildungsurlaub zu nehmen. Wir bekräftigen an dieser Stelle unsere Forderung nach der Einführung eines gesetzlichen Anspruches auf Bildungsurlaub im Umfang von mindestens zwölf Tagen.

Darüber hinaus wollen wir, dass Einrichtungen der politischen Bildung stärker gefördert werden. In Oberbayern ist dabei insbesondere die Georg-von-Vollmar-Akademie zu nennen, die im Bereich der politischen Bildung ein attraktives und umfangreiches Bildungsangebot anbietet. Daher werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass deren Bildungsstätte in Kochel erhalten bleibt und darüber hinaus bestehende außerschulische Bildungsangebote in Bayern eine ausreichende und beständige Finanzierung erhalten.

Partizipation in der Kommune

Jugendsprechstunde

Analog zu Bürger*innensprechstunden, die in vielen Kommunen von Bürgermeister*innen angeboten werden, soll es auch mindestens einmal im Monat eine Sprechstunde des*r Bügermeister*in für Kinder und Jugendliche geben. Die Jugendlichen können so mit ihren Fragen rund um die Kommune bzw. die Politik in der Kommune zum*r Bürgermeister*in kommen und bekommen Antworten aus erster Hand. Damit die Jugendlichen an kommunalen Entscheidungen teilhaben, brauchen sie die Möglichkeit leicht an Antworten zu kommen – dies klappt am besten in einer Jugendsprechstunde des*r Bürgermeister*in oder eines*r Vertreter*in des Gemeinderats. Ein leicht zugängliches, niederschwelliges Onlineportal soll darüber hinaus alle Beschlüsse und Anträge der Kommunen (Gemeinde- & Stadträte sowie Kreistage) übersichtlich zur Verfügung stellen.

Jungbürger*innenversammlungen

Um die Jugendlichen besser in die Geschehnisse der Gemeinde einzubinden, soll mindestens einmal im Jahr eine Jungbürger*innenversammlung stattfinden, zu der alle Jugendlichen, im Alter von 10 bis 22 Jahre, rechtzeitig per Post eingeladen werden. Um eine möglichst breite Beteiligung zu ermöglichen, ist darüber hinaus auch in den Jugendzentren zu mobilisieren, in denen auch Menschen erreicht werden können, die noch nicht politisch interessiert oder aktiv sind. Zusätzlich muss die Veranstaltung auf Social Media und in der Zeitung beworben werden. Auf der Jungbürger*innenversammlung muss der Stadt- oder Gemeinderat allen Jugendlichen mit einem offenen Ohr Rede und Antwort stehen.

Innerhalb eines bestimmten Rahmens soll die Jungbürger*innenversammlung abschließende Entscheidungen treffen können, wenn kein Jugendrat vorhanden ist. Die Themensetzung für die Veranstaltung soll dabei durch die Jugendlichen selbst, beispielsweise durch Rückmeldung in den sozialen Medien erfolgen.

Jugendrat

Neben der Jungbürger*innenversammlung stellt auch ein Jugendrat eine gute Möglichkeit der direkten Jugendpartizipation dar.

Definition Jugendrat

Ein Jugendrat ist ein Gremium, in welchem Jugendliche zu aktuellen Belangen einer Kommune tagen. Es orientiert sich dabei an den parlamentarischen Gremien in der Kommune – also dem Stadt- oder Gemeinderat. den Jugendrat bzw. die Jugendlichen, die Teil des Jugendrats sind, sollen zu einer Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in der Kommune beitragen. Sie sind die Vertreter*innen aller Kinder und Jugendlichen und setzen sich für diese ein.

Die institutionalisierte Beteiligung von Jugendlichen an der politischen Entscheidungsfindung existiert in verschiedenen Formen unter verschiedenen Bezeichnungen. Unter Jugendparlamenten werden unterschiedliche Dinge verstanden, das reicht von gewählten dauernden Vertreter*innen bis zu einmalig tagenden Vollversammlungen, aus denen keine Ergebnisse resultieren.

Wir verwenden daher den Begriff des Jugendrates, dieser beinhaltet für uns Kriterien, wie die projektorientierte und verstetigte Arbeitsweise, ausreichende Finanzierung und hauptamtliche Unterstützung.

Grundanforderungen an Jugendräte

Die Wahlen für den Jugendrat sollen demokratisch per Brief stattfinden. Wahlberechtigt sind alle Kinder und Jugendlichen von 13 bis 22 Jahren mit Wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde. Hierbei muss die Kommune dafür sorgen, dass alle sozialen Schichten abgebildet sind.

Sind in der Kommunalen Ebene ausreichend örtliche Schulen vorhanden, so ist die Wahl für den Jugendrat über ein Delegiertensystem zu bevorzugen. Dabei entsenden die örtlichen Schulen gewählte Delegierte, wobei alle vorhandenen Schularten gleichermaßen vertreten sein müssen. Diese bilden dann den Jugendrat auf kommunaler Ebene. Die kommunalen Strukturen bringen unterschiedlichste Voraussetzungen mit sich. Ländliche Kommunen, in denen es nur wenige oder gar keine weiterführenden Schulen gibt, haben oft das Problem, dass eine schulbasierte stetige Jugendpartizipationsarbeit kaum umzusetzen ist. Wichtig ist uns, dass Jugendpartizipation überall stattfindet. Deshalb bevorzugen wir in diesen Fällen Projektbezogene Jugendarbeit, deren Ausgestaltung den Kommunen obliegt. So können insbesondere ländliche Strukturen von jungen Menschen mitgestaltet und attraktiver gemacht werden. Grundsätzlich soll dabei auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet werden und sich an die Leitplanken des BJR für Jugendpartizipation gehalten werden:

– altersangemessen, milieu- und geschlechtersensiel niederschwellig und motivierend zeitlich für die Jugendlichen überschaubar angelegt bezugnehmend auf das konkrete Lebensumfeld transparent in den tatsächlichen Auswirkungen auf Entscheidungen ausreichend mit finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet Perspektiven und Nachhaltigkeit für Anschlussprojekte/-initiativen bietend

Sobald die Wahl des Jugendrats durchgeführt wurde, liegt die politische Verantwortung bei den gewählten Mitgliedern.

Jeder Jugendrat wird durch einen pädagogische Fachkraft unterstützt. Diese hat dabei selbstverständlich im Jugendrat kein Stimmrecht, kann aber angehört werden. So begleitet sie den Prozess, gibt – sofern nötig – Impulse und steht zur Unterstützung bereit, sollte es zu Konflikten oder anderen Problemen kommen. Inwieweit eine Betreuung durch die pädagogische Fachkraft erfolgt beziehungsweise wie umfangreich diese ist, soll von den Jugendlichen mitbestimmt werden können.

Räumlichkeiten

Weiterhin ist es notwendig, dass der Rat einen barrierefreien Tagungsraum von der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommt. Als Raum kann beispielsweise der Jugendraum oder das Jugendzentrum der Gemeinde genutzt werden, wenn Ausstattung und Größe dies zulassen. 

Ebenen und Zusammenarbeit der einzelnen Jugendräte

Die Jugendräte sollen analog zu den Kommunalebenen angegliedert sein. Davon ausgenommen sind die Bezirksausschüsse der großen Städte, da sich dort junge Menschen erfahrungsgemäß eher mit der gesamten Stadt identifizieren als mit einzelnen Stadtvierteln. Die Räte auf den unterschiedlichen Ebenen sollen unabhängig voneinander gewählt werden. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, sich sowohl für einen Platz im Jugendrat der Kommune zu bewerben als auch für den Kreisjugendrat. Durch die Unabhängigkeit der Gremien verhindert man, dass immer nur die gleichen Menschen Verantwortung und Posten übernehmen. So können sich Bewerber*innen, die sich insbesondere für Themen im Landkreis einbringen wollen, auf der entsprechenden Ebene wählen lassen, ohne vorher auf kommunaler Ebene gewählt worden zu sein. Das schafft abwechslungsreiche Jugendrate mit vielen neuen Blickwinkeln.

Wir möchten die Zusammenarbeit zwischen Kreis- und Kommunenebenen fördern, indem wir analog zu den Bürgermeister*innenrunden auch Treffen zum inhaltlichen Austausch anbieten. Dabei kann ein Erfahrungsaustausch stattfinden und es können neue Denkanstöße geliefert werden. Verschiedene Themen, die in mehreren Gemeinden relevant sind, können vom Kreis unterstützt werden, damit eine flächendeckende Umsetzung erreicht werden kann.

Aktive Mitbestimmung des Jugendrats

Um dem Jugendrat die Möglichkeit zu geben, seine Beschlüsse und Initiativen umzusetzen und seine Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, sollen die Kommunen in ihrem Haushalt für den Jugendrat eine gesonderte Stelle einrichten. Der Jugendrat verwaltet dabei selbst die ihm zur Verfügung gestellten Mittel und legt der Kommune einen Bericht über die Verwendung der Mittel vor.

Damit die Bedürfnisse der Jugendlichen durch das Budget erfasst werden, soll die Kommune den Jugendlichen in dieser Angelegenheit ein Mitspracherecht über die Höhe des Budgets einräumen.

Die Anträge, die den Jugendrat behandelt, sind Vorschläge der jungen Bevölkerung einer Kommune, wie sie sich ihr Leben vor Ort in Zukunft wünschen und vorstellen. Die Gemeinden sollen den Räten deshalb außerdem die Möglichkeit geben, Anträge in den Gemeinderat einzubringen. An den Beratungen über die Vorschläge sollen Mitglieder des Jugendrates teilnehmen und auch ein Rederecht bekommen. So soll sichergestellt sein, dass den Jugendrat möglichst reibungslos tätig sein kann und Jugendbeteiligung in der Kommune erfolgreich funktioniert.

Unterstützung des Jugendrats durch Jugendbeauftragte des Gemeinderats und pädagogische Fachkräfte

Kommunale Jugendbeteiligung  ist in jeder Gemeinde ein besonders wichtiges Thema, das leider oft nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommt. Gerade in kleineren Gemeinden kommt es häufig vor, dass sich Jugendbeauftragte als einzige den Anliegen der Jugendlichen annehmen. Das es sich hierbei in der Regel um ein Ehrenamt zusätzlich zum Gemeinderatsmandat handelt, hängt die jugendpolitische Aktivität häufig von den zeitlichen Ressourcen und den politischen Schwerpunkten der*des Beauftragten ab und kommt leider häufig zu kurz. Da die kommunale Jugendbeteiligung ein sehr großes Feld ist, reicht es oft nicht, nur einen ehrenamtlichen Beauftragten dafür einzusetzen. Wir fordern stattdessen pädagogische Fachkräfte, die sich als Teilbereich ihrer Arbeitsstelle um die Koordination und den Aufbau des Jugendrats kümmern. Gerade in kleineren Gemeinden kann es sein, dass sie sich keine Fachkraft leisten können und diese Fachkraft auch nicht genug Aufgaben für eine Vollzeitstelle hätte. Eine mögliche Lösung wäre an dieser Stelle, dass sich mehrere Nachbargemeinden eine pädagogische Fachkraft für den Bereich der Jugendpartizipation und die Betreuung des Jugendrats teilen.

Wichtig ist bei der Unterstützung des Jugendrats, dass die Sozialpädagog*innen nicht die Rolle der*des “Aufpasser*in” übernehmen, sondern sie sollen im Sinne des Empowerment-Ansatzes, die Jugendlichen befähigen, selbst aktiv zu werden und den Prozess der politischen Beteiligung unterstützend zu begleiten. Die pädagogische Fachkraft steht dabei immer, wenn Fragen aufkommen, als Ansprechperson zur Verfügung.

Deshalb fordern wir:

Die Partizipation junger Menschen als Grundsatz in die Bayrische Verfassung aufzunehmen. Die Jugendbeteiligung als Prinzip in die Bayrische Gemeindeordnung sowie in den Geschäftsordnungen der Kommunen und Landkreise festzuschreiben.

Wahlalter 14 jetzt!

Fridays for Future, die Demonstrationen gegen die Urheberrechtsreform der Europäischen Union und zahlreiche Debatten über die Sozialen Netzwerke machen klar: Die Jugend will mitbestimmen. Aktive Mitbestimmung und Beeinflussung der politischen Lage geschieht in einer Demokratie durch die Teilnahme an Wahlen. Doch hier haben wir aktuell für Jugendliche einen deutlichen Missstand: Wählen ist erst ab Erreichen der Volljährigkeit mit 18 Jahren möglich.

Besonders konservative Kräfte lehnen vehement das Wahlrecht für Jugendliche unter 18 Jahren ab. Der häufigste Vorwurf der Gegner*innen ist die fehlenden Einsichtigkeit und der Mangel an Verantwortungsbewusstsein der jungen Menschen, die an die Urnen treten möchten.

Doch bekommen die Jugendlichen in vielen Bereichen noch vor dem Erreichen der Volljährigkeit Verpflichtungen auferlegt und Rechte zugesprochen. Mit 16 Jahren können Jugendliche bereits eine Arbeit annehmen bzw. in eine Lehre eintreten. Damit kann auch die Verpflichtung mit einhergehen, Steuern und Abgaben zu entrichten.

Die Strafmündigkeit tritt bereits mit 14 Jahren ein, ein*e Jugendliche*r kann ab diesem Zeitpunkt für all seine Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden und muss sich für diese verantworten. Auch haben Jugendliche in vielen deutschen Bundesländern mit Erreichen des vierzehnten Lebensjahres das Recht, ihre Religion beziehungsweise ihre Religionszugehörigkeit frei zu wählen, ohne die Zustimmung der Eltern einholen zu müssen.

Auch der Vorwurf, Jugendliche seien in ihrer Wahlentscheidung leichter beeinflussbar als ihre erwachsenen Mitbürger*innen, entbehrt seiner Grundlage. Besonders des Vorwurf, junge Menschen würden leichter für einfache und radikale Äußerungen zu begeistern sein als

Erwachsene und deshalb eher rechtsradikale Parteien wählen, ist haltlos: Stimmten bei der Bundestagswahl 2017 12,6 Prozent der Deutschen für eine offen menschenfeindliche Partei, die AfD, erreichte diese bei den Juniorwahlen, also Wahlen für alle Minderjährigen, 6,0 Prozent, die Hälfte des Ergebnisses der Bundestagswahl. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die Argumente der Gegner*innen einer Herabsetzung des Wahlalters als Nebel um den wahren Kern: Einer Verweigerungshaltung gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung, die dem 21. Jahrhundert angemessen ist.

Doch diese Anschauung wird sich nicht halten, denn wir werden das nicht zulassen. Das machen wir mit diesem Antrag nochmals deutlich. Wir fordern das kommunale Wahlrecht für alle Menschen an ihrem Hauptwohnsitz. Wir fordern die Absenkung des Wahlalters – aktiv wie auch passiv – auf 14 Jahre für alle!

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