S4 : Konkrete Kostenübernahme bei notwendigen Pflegeleistungen statt Pauschalen mit Zuzahlung - Änderung des § 43 SGB XI

Der Parteitag möge beschließen eine Änderung des § 43 SGB XI dahingehend herbeizuführen mit dem Ziel, die bislang pauschalierten – und damit begrenzten – Leistungsbeträge der Pflegekassen für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen aufzuheben und durch die konkrete

Kostenübernahme der notwendigen individuellen Pflegeleistungen zu ersetzen.

Begründung:

Die im Jahr 1995 in Kraft getretene Pflegeversicherung sah mit den gedeckelten Leistungsbeträgen des § 43 vor, dass die Kosten für Pflege dadurch indirekt gebremst werden können. Gleichzeitig sind die Pflegekassen nämlich die Verhandlungsführer bei den Entgelten stationärer Einrichtungen. Diese reglementierende Vorstellung hat sich als nicht umsetzbar erwiesen. Die Kosten haben sich seitdem in etwa verdreifacht.

Die Leistungssätze waren 1995 so bemessen, dass dadurch ein Großteil der Pflegekosten pauschal übernommen wurde. Diese Kosten sind jedoch in den letzten 25 Jahren derart stark gestiegen, dass die Pflegebedürftigen inzwischen im Bundesdurchschnitt fast 1000 € monatlich für die notwendige Pflege zuzahlen müssen. Hinzu kommen Zuzahlungen für Unterkunft/Verpflegung und Investitionskosten sowie Ausbildungsumlagen.

Dies führt dazu, dass die Pflegebedürftigen trotz bestehender

Pflegeversicherung im Durchschnitt monatlich mehr als 2.000 € zuzahlen müssen (im Landkreis Altötting beträgt die höchste monatliche Zuzahlung derzeit rund 2.600.- €, im Landkreis Mühldorf 2.700.-). In der Folge fallen immer mehr alte Menschen in eine Sozialhilfeabhängigkeit. Für die SPD muss es ein wichtiges Gut sein, diese Abhängigkeit alter Menschen, die über Jahrzehnte Leistung für den Staat erbracht haben, zu vermeiden.

Durch die starke Belastung der Sozialhilfeträger werden auch die Kommunen über Gebühr belastet.

Ein unter Bundesminister Spahn für 2021 geplantes „Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG)“ sieht künftig eine Veränderung des § 43 SGB XI vor. Die Zuzahlung für Pflegebedürftige soll allerdings bei 700.- monatlich verbleiben. Aufgrund der weiterhin nötigen Zuzahlungen für Unterkunft/Verpflegung, Investitionskosten und Ausbildungszuschläge durch die Pflegebedürftigen würde durch diese Deckelung vorerst nur ein sehr geringer Entlastungseffekt für Pflegebedürftige eintreten – eine weiterhin hohe Zahl an Bedürftigen würde in der Sozialhilfeabhängigkeit verbleiben.

Dieser zu geringe Effekt wurde auch von wissenschaftlicher Seite unterstrichen.

Prof. Dr. Heinz Rothgang, Universität Bremen (Ersteller des entsprechenden

Gutachtens für das BMG) schlägt deshalb einen Eigenanteil von 470.- € pro Monat vor. Der SPD würde es gut anstehen, die Zuzahlung für Pflege ganz zu vermeiden. Wer Jahrzehnte in die Pflegeversicherung einzahlt, sollte im Alter nicht zum Almosenempfänger der Sozialhilfe werden.

Finanzierung:

Die Mehrkosten für die Pflegeversicherung sind direkt abhängig vom weiteren

Ausbau der Pflegestrukturen und insofern nicht exakt zu beziffern. Bei

Übernahme der vollen Pflegekosten durch die Pflegeversicherung entstehen Mehrkosten von ca. 10 Mrd. € jährlich. Um diese Mehrkosten zu decken, wird eine Übernahme von 50% der entstehenden Kosten durch einen

Bundeszuschuss (in Analogie zur Rentenversicherung) und Deckung der zweiten Hälfte durch eine paritätische Kostenübernahme über den dann zu erhöhenden Pflegeversicherungsbeitrag in der Sozialversicherung, vorgeschlagen.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisung an nächsten Landesparteitag
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