P3 Handlungsfähiger Staat - soziale Gerechtigkeit - Demokratie - Solidarität

Antragsteller: AfA-Landesvorstand Bayern

Adressat: AfA-Landeskonferenz, AfA-Bundeskonferenz, SPD-Landesparteitag, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion, SPD-Mitglieder der Bundesregierung

 

Handlungsfähiger Staat – soziale Gerechtigkeit – Demokratie – Solidarität

(Aufruf von Sozialdemokrat*innen für eine politische Offensive)

 

Es gehört zum Standard in den aktuellen Kommentaren zur politischen Lage: Demokratie, Wohlstand, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles ist in höchster Gefahr. Als Sozialdemokrat*innen wollen wir aber statt über die täglichen Symptome über Ursachen und Lösungen diskutieren und entscheiden. Die Sozialdemokratie muss wieder den Mut fassen, die Widersprüche und Aufgaben unserer Zeit klar zu benennen und um Mehrheiten für die notwendigen Veränderungen zu kämpfen.

 

Ausgangslage:

Wir leben in einer Welt, in der wir es mit verschiedenen ineinander verschränkten Krisen zu tun haben:

  • Seit Mitte der 1970er Jahre befinden wir uns in einer neuen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: das Wohlstandsmodell der Nachkriegszeit wurde schrittweise vom Neoliberalismus abgelöst. Globale Unternehmen und superreiche Einzelpersonen befreien sich von den Fesseln staatlicher Regulierung, von Sozialstaat, Steuern, Arbeitsbeziehungen, Rechtsetzung. Finanzmärkte ermöglichen das Abheben von lokalen und regionalen Bindungen. Es läuft eine Periode der Umverteilung des wachsenden Reichtums von unten nach oben mit einer sich zuspitzenden sozialen Krise. Immer mehr Menschen erleben unsere Gesellschaft als ungerecht und zweifeln an der Demokratie.
  • Auch die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den entwickelten kapitalstarken Industrieländern und den Regionen des sogenannten globalen Südens nehmen zu. Die kapitalschwachen Länder bleiben weiter in Abhängigkeit. Dies übt, zusammen mit dem Wohlstandsgefälle zu den ehemaligen Ostblockstaaten, Druck auf die Arbeits- und Lebensbedingungen in den entwickelteren Ländern aus. An den Rändern dieser Zonen unterschiedlichen Reichtums entstehen immer neue Konflikte und Brandherde. Hier werden neue Mauern und Grenzen gezogen. Globale geopolitische Krisen und Kriege um Rohstoffe, Märkte, Handelswege und Einflusszonen nehmen zu. Das westliche Modell von Freiheit und Demokratie büßt weltweit und im Inneren an Zustimmung ein.
  • Die Endlichkeit und begrenzte Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen, von Rohstoffen, Wasser und Klima werden immer wahrnehmbarer. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften und Staaten schwächt die Wirkung von Programmen gegen die ökologische Krise.
  • Die Arbeitswelt unterliegt, beschleunigt durch die Pandemie, einer umfassenden Transformation. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, neue Formen der Mobilität erfassen alle Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit von der Landwirtschaft über die Industrie bis zu Dienstleistungen und Kultur. Sie führen zu neuen Spaltungen, Abstiegen und Individualisierungen, zu Status- und Zukunftsängsten.
  • Reichtumsgefälle, Klimawandel, zunehmende inner- und zwischenstaatliche Gewalt verursachen Migration über ein Maß hinaus, das von den Herkunfts-, Transit- und Zielländern erwünscht, steuerbar und verträglich ist.
  • Der neoliberale Traum vom „Schlanken Staat“, die kapitalgetriebene Globalisierung, der hierdurch mitverursachte Einnahmenschwund bei der Besteuerung von Kapital, die Erpressbarkeit nationaler Politik durch globale Konzerne und Investoren, erhöhter Regulierungsbedarf, steigende Reparaturkosten für die Krisenfolgen und militärische Aufrüstung höhlen staatliche Handlungsfähigkeit und demokratische Handlungsspielräume aus. Aus einer verunsicherten, mehrfach gespaltenen Gesellschaft erwachsen derzeit keine politischen Mehrheiten, die die Kraft hätten, eine Umverteilung von Macht und Geld durchzusetzen. So wirkt beispielsweise die Selbstfesselung Deutschlands und der EU durch diverse „Schuldenbremsen“ als Zukunftsblockade und wird zum sozialen Sprengsatz.
  • Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Bewegungen, die auf solidarischem Handeln fußen, wirken zwar noch in ihrem unmittelbaren Umfeld, verlieren aber gegenüber mächtigen Sonderinteressen an politischem Einfluss. Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft verstärken die Krisen der Demokratie. Es entsteht ein Kreislauf von Entsolidarisierung, Radikalisierung und Rechtsverschiebung im gesamten gesellschaftlichen und politischen Spektrum.

In dieser Situation ist die Sozialdemokratie gefordert, diese tiefen Krisen zu erkennen und sozialdemokratische Antworten darauf zu geben. Sie muss dies erst recht tun in Regierungsverantwortung, in der Koalitionskompromisse mangels eigener Mehrheiten notwendig sind. Ausgangspunkt eines solchen Sofortprogramms müssen Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit sein.

 

Wir fordern eine Mobilisierung der sozialen Demokratie mit folgenden Hauptzielen:

  1. Handlungsfähiger Staat: Vorrang für Gerechtigkeit, Respekt, Gleichstellung, Solidarität:
  • Erhalt/Schaffung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen Infrastruktur in Bereichen des alltäglichen Bedarfs wie Mobilität, Kinderbetreuung, Bildung, Post- und Finanzdienstleistungen, Gesundheit. Erhalt des 49€-Tickets und Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr. Stopp aller weiteren Privatisierungen und Verkäufe staatlichen und öffentlichen Eigentums. Rückführung wesentlicher Bereiche der Daseinsvorsorge in vollständiges öffentliches Eigentum in Bereichen wie Bahn, Post, Telekommunikationsnetze, Energie und Gesundheit. Schaffung eines marktbeherrschenden Korridors öffentlichen Eigentums in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge wie soziale Dienstleistungen, Banken und Wohnen. Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und eine Sonderbesteuerung von Krisengewinnen, beispielsweise im Energie- und Rüstungssektor. Reform des öffentlichen Dienstes: angemessene Personalausstattung, Transparenz, Demokratisierung, geordnete Digitalisierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Dadurch mehr Bürgerfreundlichkeit, bessere Rechtsdurchsetzung bei Schwarzarbeit, Steuerdelikten, Geldwäsche, Sicherheit und Demokratiegefährdung und schnellere Umsetzung von wichtigen Zukunftsprojekten.
  • Mindestlohn von 60 % des Medianlohnes nach den Richtlinien der EU;
  • Tarifbindung von 80%, insbesondere durch ein neues Vergaberecht mit Tariftreue für alle wesentlichen Teile der gesamten Lieferkette; durch ein Zuwanderungsrecht, das die Arbeitserlaubnis für Beschäftigte aus Drittstaaten an die Tarifbindung des Arbeitgebers und die Zustimmung des Betriebsrates knüpft. Keine Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik. Recht auf arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung. Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Erfassung und Kontrolle aller Arbeitszeiten, Schließung der „gender pay gap“.
  • Paritätische Mitbestimmung in allen Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit erweitertem Katalog an zustimmungspflichtigen Geschäften für Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.
  • Rentenreform: Erwerbstätigenversicherung, Rentenniveau 53% ohne Privatisierung, degressiv gestaffelte Übernahme des Arbeitnehmerbeitrags für Geringverdienende durch den Arbeitgeber. Einführung einer Pflege-Vollversicherung.
  • Offensive für öffentliche Investitionen, u.a. Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur, Transformation und den Bau bezahlbaren Wohnraums; Investition der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung in den Bau bezahlbaren Wohnraums im Eigentum der GRV. Unterstützung der industriellen Transformation durch staatlich geförderte und gewerkschaftlich mitbestimmte „Transformationscluster“, Förderung einer klimagerechten, nachhaltigen Produktion. Bindung aller staatlichen Zuschüsse an tarifliche Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und mindestens zehnjährige Standorttreue.
  • Einrichtung von zentralen Anlaufstellen (Beratung, Beschwerden, Überleitung in das staatliche Rechtssystem) in der Regie der Gewerkschaften für alle Konflikte und Verstöße im Bereich der Arbeitswelt: von beispielsweise Whistleblowing über Nichteinhaltung von Schutzrechten, Mindestlohn und Tarifverträgen, Union-Busting, Betriebs- und Personalvertretungsrecht.
  • Umfassende Steuerreform zugunsten der Arbeitseinkommen zulasten von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts. Rückerstattung der CO2-Abgabe ab 1.1.2025 durch ein Klimageld für Bezieher*innen mittlerer und geringer Einkommen.

 

  1. Internationaler Bereich: Mehr Diplomatie wagen, Handel im Dienst der Gerechtigkeit
  • Ergänzende diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Nahost. Keine Wehr- und Dienstpflicht, keine Entsendung der Bundeswehr ohne UN-Mandat.
  • Reform der Handelspolitik durch Ausbau des Systems der Klimazölle und Einführung eines Sozialen Grenzausgleichssystems mit Zöllen gegen Lohn- und Sozialdumping.

 

III. Parlamentarische Demokratie leben – Partei von oben her demokratisieren

  • Belebung der parlamentarischen Demokratie: keine einsamen Entscheidungen größerer Tragweite durch kleine Spitzenrunden, rechtzeitige Beteiligung von Fraktion und Partei.
  • Wiederbelebung und Modernisierung der innerparteilichen Demokratie: Schluss mit dem Leitantragswesen auf Bundesparteitagen, mehr Zeit für inhaltliche Debatten, Teilplenen, Transparenz bei Personalentscheidungen, Zugang zu Protokollen von Vorstandsgremien für Vorstandsmitglieder der jeweils nächsten Ebene, Kernwählerschaft durch Stärkung der strategischen Arbeitsgemeinschaften einbinden, Gremiendschungel auf Bundesebene lichten, analogen Austausch und digitale Vernetzung der Parteigremien und -Mitglieder untereinander ermöglichen und unterstützen.
Begründung:

Handlungsfähiger Staat – soziale Gerechtigkeit – Demokratie – Solidarität

(Aufruf von Sozialdemokrat*innen für eine politische Offensive)

 

Es gehört zum Standard in den aktuellen Kommentaren zur politischen Lage: Demokratie, Wohlstand, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles ist in höchster Gefahr. Als Sozialdemokrat*innen wollen wir aber statt über die täglichen Symptome über Ursachen und Lösungen diskutieren und entscheiden. Die Sozialdemokratie muss wieder den Mut fassen, die Widersprüche und Aufgaben unserer Zeit klar zu benennen und um Mehrheiten für die notwendigen Veränderungen zu kämpfen.

 

Ausgangslage:

Wir leben in einer Welt, in der wir es mit verschiedenen ineinander verschränkten Krisen zu tun haben:

  • Seit Mitte der 1970er Jahre befinden wir uns in einer neuen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: das Wohlstandsmodell der Nachkriegszeit wurde schrittweise vom Neoliberalismus abgelöst. Globale Unternehmen und superreiche Einzelpersonen befreien sich von den Fesseln staatlicher Regulierung, von Sozialstaat, Steuern, Arbeitsbeziehungen, Rechtsetzung. Finanzmärkte ermöglichen das Abheben von lokalen und regionalen Bindungen. Es läuft eine Periode der Umverteilung des wachsenden Reichtums von unten nach oben mit einer sich zuspitzenden sozialen Krise. Immer mehr Menschen erleben unsere Gesellschaft als ungerecht und zweifeln an der Demokratie.
  • Auch die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den entwickelten kapitalstarken Industrieländern und den Regionen des sogenannten globalen Südens nehmen zu. Die kapitalschwachen Länder bleiben weiter in Abhängigkeit. Dies übt, zusammen mit dem Wohlstandsgefälle zu den ehemaligen Ostblockstaaten, Druck auf die Arbeits- und Lebensbedingungen in den entwickelteren Ländern aus. An den Rändern dieser Zonen unterschiedlichen Reichtums entstehen immer neue Konflikte und Brandherde. Hier werden neue Mauern und Grenzen gezogen. Globale geopolitische Krisen und Kriege um Rohstoffe, Märkte, Handelswege und Einflusszonen nehmen zu. Das westliche Modell von Freiheit und Demokratie büßt weltweit und im Inneren an Zustimmung ein.
  • Die Endlichkeit und begrenzte Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen, von Rohstoffen, Wasser und Klima werden immer wahrnehmbarer. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften und Staaten schwächt die Wirkung von Programmen gegen die ökologische Krise.
  • Die Arbeitswelt unterliegt, beschleunigt durch die Pandemie, einer umfassenden Transformation. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, neue Formen der Mobilität erfassen alle Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit von der Landwirtschaft über die Industrie bis zu Dienstleistungen und Kultur. Sie führen zu neuen Spaltungen, Abstiegen und Individualisierungen, zu Status- und Zukunftsängsten.
  • Reichtumsgefälle, Klimawandel, zunehmende inner- und zwischenstaatliche Gewalt verursachen Migration über ein Maß hinaus, das von den Herkunfts-, Transit- und Zielländern erwünscht, steuerbar und verträglich ist.
  • Der neoliberale Traum vom „Schlanken Staat“, die kapitalgetriebene Globalisierung, der hierdurch mitverursachte Einnahmenschwund bei der Besteuerung von Kapital, die Erpressbarkeit nationaler Politik durch globale Konzerne und Investoren, erhöhter Regulierungsbedarf, steigende Reparaturkosten für die Krisenfolgen und militärische Aufrüstung höhlen staatliche Handlungsfähigkeit und demokratische Handlungsspielräume aus. Aus einer verunsicherten, mehrfach gespaltenen Gesellschaft erwachsen derzeit keine politischen Mehrheiten, die die Kraft hätten, eine Umverteilung von Macht und Geld durchzusetzen. So wirkt beispielsweise die Selbstfesselung Deutschlands und der EU durch diverse „Schuldenbremsen“ als Zukunftsblockade und wird zum sozialen Sprengsatz.
  • Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Bewegungen, die auf solidarischem Handeln fußen, wirken zwar noch in ihrem unmittelbaren Umfeld, verlieren aber gegenüber mächtigen Sonderinteressen an politischem Einfluss. Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft verstärken die Krisen der Demokratie. Es entsteht ein Kreislauf von Entsolidarisierung, Radikalisierung und Rechtsverschiebung im gesamten gesellschaftlichen und politischen Spektrum.

In dieser Situation ist die Sozialdemokratie gefordert, diese tiefen Krisen zu erkennen und sozialdemokratische Antworten darauf zu geben. Sie muss dies erst recht tun in Regierungsverantwortung, in der Koalitionskompromisse mangels eigener Mehrheiten notwendig sind. Ausgangspunkt eines solchen Sofortprogramms müssen Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit sein.

 

Wir fordern eine Mobilisierung der sozialen Demokratie mit folgenden Hauptzielen:

  1. Handlungsfähiger Staat: Vorrang für Gerechtigkeit, Respekt, Gleichstellung, Solidarität:
  • Erhalt/Schaffung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen Infrastruktur in Bereichen des alltäglichen Bedarfs wie Mobilität, Kinderbetreuung, Bildung, Post- und Finanzdienstleistungen, Gesundheit. Erhalt des 49€-Tickets und Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr. Stopp aller weiteren Privatisierungen und Verkäufe staatlichen und öffentlichen Eigentums. Rückführung wesentlicher Bereiche der Daseinsvorsorge in vollständiges öffentliches Eigentum in Bereichen wie Bahn, Post, Telekommunikationsnetze, Energie und Gesundheit. Schaffung eines marktbeherrschenden Korridors öffentlichen Eigentums in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge wie soziale Dienstleistungen, Banken und Wohnen. Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und eine Sonderbesteuerung von Krisengewinnen, beispielsweise im Energie- und Rüstungssektor. Reform des öffentlichen Dienstes: angemessene Personalausstattung, Transparenz, Demokratisierung, geordnete Digitalisierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Dadurch mehr Bürgerfreundlichkeit, bessere Rechtsdurchsetzung bei Schwarzarbeit, Steuerdelikten, Geldwäsche, Sicherheit und Demokratiegefährdung und schnellere Umsetzung von wichtigen Zukunftsprojekten.
  • Mindestlohn von 60 % des Medianlohnes nach den Richtlinien der EU;
  • Tarifbindung von 80%, insbesondere durch ein neues Vergaberecht mit Tariftreue für alle wesentlichen Teile der gesamten Lieferkette; durch ein Zuwanderungsrecht, das die Arbeitserlaubnis für Beschäftigte aus Drittstaaten an die Tarifbindung des Arbeitgebers und die Zustimmung des Betriebsrates knüpft. Keine Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik. Recht auf arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung. Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Erfassung und Kontrolle aller Arbeitszeiten, Schließung der „gender pay gap“.
  • Paritätische Mitbestimmung in allen Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit erweitertem Katalog an zustimmungspflichtigen Geschäften für Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.
  • Rentenreform: Erwerbstätigenversicherung, Rentenniveau 53% ohne Privatisierung, degressiv gestaffelte Übernahme des Arbeitnehmerbeitrags für Geringverdienende durch den Arbeitgeber. Einführung einer Pflege-Vollversicherung.
  • Offensive für öffentliche Investitionen, u.a. Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur, Transformation und den Bau bezahlbaren Wohnraums; Investition der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung in den Bau bezahlbaren Wohnraums im Eigentum der GRV. Unterstützung der industriellen Transformation durch staatlich geförderte und gewerkschaftlich mitbestimmte „Transformationscluster“, Förderung einer klimagerechten, nachhaltigen Produktion. Bindung aller staatlichen Zuschüsse an tarifliche Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und mindestens zehnjährige Standorttreue.
  • Einrichtung von zentralen Anlaufstellen (Beratung, Beschwerden, Überleitung in das staatliche Rechtssystem) in der Regie der Gewerkschaften für alle Konflikte und Verstöße im Bereich der Arbeitswelt: von beispielsweise Whistleblowing über Nichteinhaltung von Schutzrechten, Mindestlohn und Tarifverträgen, Union-Busting, Betriebs- und Personalvertretungsrecht.
  • Umfassende Steuerreform zugunsten der Arbeitseinkommen zulasten von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts. Rückerstattung der CO2-Abgabe ab 1.1.2025 durch ein Klimageld für Bezieher*innen mittlerer und geringer Einkommen.

 

  1. Internationaler Bereich: Mehr Diplomatie wagen, Handel im Dienst der Gerechtigkeit
  • Ergänzende diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Nahost. Keine Wehr- und Dienstpflicht, keine Entsendung der Bundeswehr ohne UN-Mandat.
  • Reform der Handelspolitik durch Ausbau des Systems der Klimazölle und Einführung eines Sozialen Grenzausgleichssystems mit Zöllen gegen Lohn- und Sozialdumping.

 

III. Parlamentarische Demokratie leben – Partei von oben her demokratisieren

  • Belebung der parlamentarischen Demokratie: keine einsamen Entscheidungen größerer Tragweite durch kleine Spitzenrunden, rechtzeitige Beteiligung von Fraktion und Partei.
  • Wiederbelebung und Modernisierung der innerparteilichen Demokratie: Schluss mit dem Leitantragswesen auf Bundesparteitagen, mehr Zeit für inhaltliche Debatten, Teilplenen, Transparenz bei Personalentscheidungen, Zugang zu Protokollen von Vorstandsgremien für Vorstandsmitglieder der jeweils nächsten Ebene, Kernwählerschaft durch Stärkung der strategischen Arbeitsgemeinschaften einbinden, Gremiendschungel auf Bundesebene lichten, analogen Austausch und digitale Vernetzung der Parteigremien und -Mitglieder untereinander ermöglichen und unterstützen.
Barrierefreies PDF:
Beschluss: Angenommen
Text des Beschlusses:

Es gehört zum Standard in den aktuellen Kommentaren zur politischen Lage: Demokratie, Wohlstand, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles ist in höchster Gefahr. Als Sozialdemokrat*innen wollen wir aber statt über die täglichen Symptome über Ursachen und Lösungen diskutieren und entscheiden. Die Sozialdemokratie muss wieder den Mut fassen, die Widersprüche und Aufgaben unserer Zeit klar zu benennen und um Mehrheiten für die notwendigen Veränderungen zu kämpfen.

Ausgangslage:

Wir leben in einer Welt, in der wir es mit verschiedenen ineinander verschränkten Krisen zu tun haben:

  • Seit Mitte der 1970er Jahre befinden wir uns in einer neuen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: das Wohlstandsmodell der Nachkriegszeit wurde schrittweise vom Neoliberalismus abgelöst. Globale Unternehmen und superreiche Einzelpersonen befreien sich von den Fesseln staatlicher Regulierung, von Sozialstaat, Steuern, Arbeitsbeziehungen, Rechtsetzung. Finanzmärkte ermöglichen das Abheben von lokalen und regionalen Bindungen. Es läuft eine Periode der Umverteilung des wachsenden Reichtums von unten nach oben mit einer sich zuspitzenden sozialen Krise. Immer mehr Menschen erleben unsere Gesellschaft als ungerecht und zweifeln an der Demokratie.
  • Auch die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den entwickelten kapitalstarken Industrieländern und den Regionen des sogenannten globalen Südens nehmen zu. Die kapitalschwachen Länder bleiben weiter in Abhängigkeit. Dies übt, zusammen mit dem Wohlstandsgefälle zu den ehemaligen Ostblockstaaten, Druck auf die Arbeits- und Lebensbedingungen in den entwickelteren Ländern aus. An den Rändern dieser Zonen unterschiedlichen Reichtums entstehen immer neue Konflikte und Brandherde. Hier werden neue Mauern und Grenzen gezogen. Globale geopolitische Krisen und Kriege um Rohstoffe, Märkte, Handelswege und Einflusszonen nehmen zu. Das westliche Modell von Freiheit und Demokratie büßt weltweit und im Inneren an Zustimmung ein.
  • Die Endlichkeit und begrenzte Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen, von Rohstoffen, Wasser und Klima werden immer wahrnehmbarer. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften und Staaten schwächt die Wirkung von Programmen gegen die ökologische Krise.
  • Die Arbeitswelt unterliegt, beschleunigt durch die Pandemie, einer umfassenden Transformation. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, neue Formen der Mobilität erfassen alle Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit von der Landwirtschaft über die Industrie bis zu Dienstleistungen und Kultur. Sie führen zu neuen Spaltungen, Abstiegen und Individualisierungen, zu Status- und Zukunftsängsten.
  • Reichtumsgefälle, Klimawandel, zunehmende inner- und zwischenstaatliche Gewalt verursachen Migration über ein Maß hinaus, das von den Herkunfts-, Transit- und Zielländern erwünscht, steuerbar und verträglich ist.
  • Der neoliberale Traum vom „Schlanken Staat“, die kapitalgetriebene Globalisierung, der hierdurch mitverursachte Einnahmenschwund bei der Besteuerung von Kapital, die Erpressbarkeit nationaler Politik durch globale Konzerne und Investoren, erhöhter Regulierungsbedarf, steigende Reparaturkosten für die Krisenfolgen und militärische Aufrüstung höhlen staatliche Handlungsfähigkeit und demokratische Handlungsspielräume aus. Aus einer verunsicherten, mehrfach gespaltenen Gesellschaft erwachsen derzeit keine politischen Mehrheiten, die die Kraft hätten, eine Umverteilung von Macht und Geld durchzusetzen. So wirkt beispielsweise die Selbstfesselung Deutschlands und der EU durch diverse „Schuldenbremsen“ als Zukunftsblockade und wird zum sozialen Sprengsatz.
  • Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Bewegungen, die auf solidarischem Handeln fußen, wirken zwar noch in ihrem unmittelbaren Umfeld, verlieren aber gegenüber mächtigen Sonderinteressen an politischem Einfluss. Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft verstärken die Krisen der Demokratie. Es entsteht ein Kreislauf von Entsolidarisierung, Radikalisierung und Rechtsverschiebung im gesamten gesellschaftlichen und politischen Spektrum.

In dieser Situation ist die Sozialdemokratie gefordert, diese tiefen Krisen zu erkennen und sozialdemokratische Antworten darauf zu geben. Sie muss dies erst recht tun in Regierungsverantwortung, in der Koalitionskompromisse mangels eigener Mehrheiten notwendig sind. Ausgangspunkt eines solchen Sofortprogramms müssen Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit sein.

Wir fordern eine Mobilisierung der sozialen Demokratie mit folgenden Hauptzielen:

  1. Handlungsfähiger Staat: Vorrang für Gerechtigkeit, Respekt, Gleichstellung, Solidarität:
  • Erhalt/Schaffung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen Infrastruktur in Bereichen des alltäglichen Bedarfs wie Mobilität, Kinderbetreuung, Bildung, Post- und Finanzdienstleistungen, Gesundheit. Erhalt des 49€-Tickets und Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr. Stopp aller weiteren Privatisierungen und Verkäufe staatlichen und öffentlichen Eigentums. Rückführung wesentlicher Bereiche der Daseinsvorsorge in vollständiges öffentliches Eigentum in Bereichen wie Bahn, Post, Telekommunikationsnetze, Energie und Gesundheit. Schaffung eines marktbeherrschenden Korridors öffentlichen Eigentums in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge wie soziale Dienstleistungen, Banken und Wohnen. Finanzierung durch eine Vermögensabgabe und eine Sonderbesteuerung von Krisengewinnen, beispielsweise im Energie- und Rüstungssektor. Reform des öffentlichen Dienstes: angemessene Personalausstattung, Transparenz, Demokratisierung, geordnete Digitalisierung über alle staatlichen Ebenen hinweg. Dadurch mehr Bürgerfreundlichkeit, bessere Rechtsdurchsetzung bei Schwarzarbeit, Steuerdelikten, Geldwäsche, Sicherheit und Demokratiegefährdung und schnellere Umsetzung von wichtigen Zukunftsprojekten.
  • Mindestlohn von 60 % des Medianlohnes nach den Richtlinien der EU;
  • Tarifbindung von 80%, insbesondere durch ein neues Vergaberecht mit Tariftreue für alle wesentlichen Teile der gesamten Lieferkette; durch ein Zuwanderungsrecht, das die Arbeitserlaubnis für Beschäftigte aus Drittstaaten an die Tarifbindung des Arbeitgebers und die Zustimmung des Betriebsrates knüpft. Keine Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik. Recht auf arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung. Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Erfassung und Kontrolle aller Arbeitszeiten, Schließung der „gender pay gap“.
  • Paritätische Mitbestimmung in allen Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit erweitertem Katalog an zustimmungspflichtigen Geschäften für Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.
  • Rentenreform: Erwerbstätigenversicherung, Rentenniveau 53% ohne Privatisierung, degressiv gestaffelte Übernahme des Arbeitnehmerbeitrags für Geringverdienende durch den Arbeitgeber. Einführung einer Pflege-Vollversicherung.
  • Offensive für öffentliche Investitionen, u.a. Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur, Transformation und den Bau bezahlbaren Wohnraums; Investition der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung in den Bau bezahlbaren Wohnraums im Eigentum der GRV. Unterstützung der industriellen Transformation durch staatlich geförderte und gewerkschaftlich mitbestimmte „Transformationscluster“, Förderung einer klimagerechten, nachhaltigen Produktion. Bindung aller staatlichen Zuschüsse an tarifliche Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und mindestens zehnjährige Standorttreue.
  • Einrichtung von zentralen Anlaufstellen (Beratung, Beschwerden, Überleitung in das staatliche Rechtssystem) in der Regie der Gewerkschaften für alle Konflikte und Verstöße im Bereich der Arbeitswelt: von beispielsweise Whistleblowing über Nichteinhaltung von Schutzrechten, Mindestlohn und Tarifverträgen, Union-Busting, Betriebs- und Personalvertretungsrecht.
  • Umfassende Steuerreform zugunsten der Arbeitseinkommen zulasten von großen Vermögen und Spitzeneinkommen. Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts. Rückerstattung der CO2-Abgabe ab 1.1.2025 durch ein Klimageld für Bezieher*innen mittlerer und geringer Einkommen.
  1. Internationaler Bereich: Mehr Diplomatie wagen, Handel im Dienst der Gerechtigkeit
  • Ergänzende diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Nahost. Keine Wehr- und Dienstpflicht, keine Entsendung der Bundeswehr ohne UN-Mandat.
  • Reform der Handelspolitik durch Ausbau des Systems der Klimazölle und Einführung eines Sozialen Grenzausgleichssystems mit Zöllen gegen Lohn- und Sozialdumping.

III. Parlamentarische Demokratie leben – Partei von oben her demokratisieren

  • Belebung der parlamentarischen Demokratie: keine einsamen Entscheidungen größerer Tragweite durch kleine Spitzenrunden, rechtzeitige Beteiligung von Fraktion und Partei.
  • Wiederbelebung und Modernisierung der innerparteilichen Demokratie: Schluss mit dem Leitantragswesen auf Bundesparteitagen, mehr Zeit für inhaltliche Debatten, Teilplenen, Transparenz bei Personalentscheidungen, Zugang zu Protokollen von Vorstandsgremien für Vorstandsmitglieder der jeweils nächsten Ebene, Kernwählerschaft durch Stärkung der strategischen Arbeitsgemeinschaften einbinden, Gremiendschungel auf Bundesebene lichten, analogen Austausch und digitale Vernetzung der Parteigremien und -Mitglieder untereinander ermöglichen und unterstützen.
Beschluss-PDF: