Die Enquête-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ des Bayerischen Landtags erarbeitet Handlungsempfehlungen, wie gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen im Flächenstaat Bayern hergestellt werden können – in ländlichen Regionen und in städtischen Ballungsgebieten. Die BayernSPD soll sich beim nächsten Landesparteitag mit den Erkenntnissen der Kommission beschäftigen und das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ganz Bayern in das Wahlprogramm zur Landtagswahl 2018 aufnehmen.
Mit großer Mehrheit wurde am 15.09.2013 von der Bayerischen Bevölkerung ein Volksentscheid zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern hinsichtlich der Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen angenommen, in Art. 3, Abs. 2, Satz 2 heißt es seither: „Er [der Freistaat] fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land.“.
Auf Anregung der SPD-Landtagsfraktion wurde am 01.07.2014 vom Bayerischen Landtag einstimmig die Einsetzung einer Enquête-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ beschlossen. Diese Kommission hat sich mit Themen und Fragen aus nachfolgenden Bereichen zu beschäftigen und dem Landtag zu berichten:
I. Allgemeine und fachübergreifende Fragen
1. Was ist unter dem Begriff „Gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen“ für Bayern zu verstehen?
2. Sind in Bayern als dem größten deutschen Flächenland Raumordnung und Landesentwicklung, insbesondere das Zentrale-Orte-System, wesentliche Instrumente zur Verwirklichung des Staatsziels der Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen?
II. Wirtschaft
1. Wie kann eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in allen Landesteilen sichergestellt werden?
2. Wie können speziell in strukturschwachen Regionen Anreize für nachhaltiges Wirtschaftswachstum geschaffen werden?
3. Welche Strategien sind notwendig, damit Unternehmen in Bayern ihren Fachkräftebedarf decken?
4. Wie kann die Energiewende als Programm für die Strukturentwicklung ländlicher Räume genutzt werden?
5. Wie kann die Tourismusförderung in Bayern zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen?
III. Kommunale Finanzausstattung
1. Wie sollte eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen gestaltet sein, damit diese gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleisten kann?
2. Wie können die Finanzprobleme stark verschuldeter Kommunen auf Dauer gelöst werden, so dass sie in Zukunft wieder aus eigener Kraft die erforderlichen Investitionen in Infrastruktur und Daseinsvorsorge leisten können?
IV. Infrastruktur
1. Wie kann die Verkehrserschließung in strukturschwachen Teilräumen nachhaltig gestärkt werden?
2. Wie kann die bayerische Verkehrsinfrastruktur durch verstärkte Vernetzung eine flächendeckende Verkehrserschließung gewährleisten?
3. Welche Instrumente lassen sich sinnvoll einsetzen, um Ballungsräume durch eine verstärkte Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsträger zu entlasten?
4. Inwieweit können Städte, Gemeinden oder Kommunen mit dem Breitbandausbau ihren Standort aufwerten und somit für Gewerbetreibende und auch Privatpersonen attraktiver machen?
V. Bildung
1. Wie kann ein ausgewogenes Schul- und Betreuungsangebot mit kurzen und vor allem sicheren Wegen auch im Hinblick auf den demografischen Wandel in allen Landesteilen sichergestellt werden?
2. Welche Maßnahmen können ergriffen werden, damit Schulabgänger künftig in ihrem Heimatort einen Ausbildungsberuf ergreifen können?
3. Wie kann ein ausgewogenes Hochschulangebot in allen Landesteilen sichergestellt werden?
VI. Medizinische Versorgung und Pflege
1. Wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung aller Landesteile mit medizinischen Versorgungseinrichtungen sichergestellt werden?
2. Welche zusätzlichen Maßnahmen und Anreize müssen getroffen bzw. geschaffen werden, um Ärzte und Fachärzte zu einer Niederlassung vor allem in ländlichen Gebieten zu bewegen?
3. Wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung mit Präventions- und Pflegeeinrichtungen auch in strukturschwächeren Räumen gewährleistet werden?
4. Wie kann die optimale Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen, einschließlich der notärztlichen Leistungen, insbesondere in ländlichen Regionen auch in der Zukunft gewährleistet werden?
VII. Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen
1. Wie können in allen Landesteilen attraktive Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen geschaffen werden?
2. Wie sollte den regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt begegnet werden?
3. Welche Möglichkeiten gibt es, in allen Landesteilen eine ausreichende Nahversorgung sicherzustellen?
4. Wie kann ein vielfältiges kulturelles Angebot in allen Regionen erhalten und ausgebaut werden?
Die Mitglieder der Enquête-Kommission aus der SPD-Landtagsfraktion sind die Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein als Stellvertretender Vorsitzender der Kommission sowie Annette Karl und Günther Knoblauch. Stellvertretende Mitglieder sind Klaus Adelt, Ruth Müller und Florian von Brunn.
Als Experten hat die SPD-Landtagsfraktion Professor Dr. Manfred Miosga, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie der Universität Bayreuth sowie Dr. Detlev Sträter von der Münchner Projektgruppe für Sozialforschung e.V. benannt. Der zuständige Fraktionsreferent ist Bastian Sauer.
Die Kommission und insbesondere auch die obigen Mitglieder der Kommission haben sich seit der Einrichtung der Kommission in über 20 Sitzungen und knapp 20 Ortsterminen in allen Regierungsbezirken Bayerns intensiv mit den aufgeworfenen Fragen beschäftigt.
Geplant ist, dass die Kommission bis Mitte 2017 dem Landtag berichten und Handlungsempfehlungen aussprechen soll.
Die Bereisungen der SPD-Abgeordneten erbrachten neue und bestätigende Erkenntnisse über den Handlungsbedarf im Sinne gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern – dem ländlichen Raum und den städtischen Ballungsgebieten. Diese reichen von der besseren Erreichbarkeit im ländlichen Bereich, über Maßnahmen zur ärztlichen und pflegerischen Versorgung, von Schulen vor Ort über Vorschläge für bezahlbares Wohnen in den zentralen Orten des ländlichen Raumes und in den Metropolregionen, aber auch von der Qualität und Geschwindigkeit des Breitbandausbaues bis hin zur Stärkung der Wirtschaft und der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Großen Raum in den Untersuchungen nehmen auch die Landesentwicklung mit den vielstrukturierten Aufgaben der Kommunen ein: das Zentrale-Orte-System im ländlichen Raum, Anerkennung und Umwandlung von freiwilligen Aufgaben in vom Bürger erwartete oder gar Pflichtaufgaben oder die Finanzausstattung der Kommunen in den unterschiedlichen Ebenen und Größen.
Ein Jahr nach dem 70-jährigen Jubiläum zur Bayerischen Verfassung zeigt sich auch, dass die sich abzeichnenden Handlungsempfehlungen der Kommission stark einhergehen mit den Artikeln der Bayerischen Verfassung („Hoegner-Verfassung“). Im Vorfeld der Landtagswahlen 2018 sollte sich deshalb die BayernSPD mit dem Thema beschäftigen und auch das Ziel der Gleichwertigen Lebensverhältnisse in ganz Bayern im Wahlprogramm der BayernSPD zur Landtagswahl 2018 berücksichtigen.