A6 Der Weg zu einer solidarischeren Gesellschaft - Hartz IV abschaffen und Armut bekämpfen.

Unser Sozialstaat steht in unserem Land für Viele nicht mehr dafür, dass sie sich bei akutem Bedarf auf Solidarität und kollektive Absicherung verlassen können. Seit der Neoliberalismus und die seine Thesen mehr oder weniger vertretenden Parteien den Sozialstaat als Wachstumshindernis deklariert hatten und als zu teuer und zu ineffizient bezeichnet wurde, wurde von unten nach oben umverteilt und breite Bevölkerungsschichten durch massive Einschnitte in unsere sozialen Sicherungssysteme abgedrängt.

Private Vorsorge wurde immer stärker propagiert, sogar aus Gewerkschaftskreisen. Viele Jahre der Kürzungen und Einschnitte, die dann in der ersten Legislaturperiode von Rot-Grün unter „Fordern und Fördern“ zusammengefasst wurden, zeigen gesellschaftspolitische Folgen: Zunahme und Verfestigung von Armut in unserem Land, Vererbung von „Hartz IV Karrieren“, Konzentration von immer mehr Reichtum, Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Politik und hier insbesondere der SPD, Einzug der AfD in den Bundestag.

Mit der Agenda 2010 Politik wurde die SPD zum Ausverkäufer des Sozialstaates. Dabei ist kein anderes Thema so sehr zum Symbolthema für den gesellschaftlichen Abstieg geworden wie Harz IV. Neben dem Verlust an Glaubwürdigkeit für die SPD als Partei für soziale Gerechtigkeit hat die Regelung zum Arbeitslosengeld I (ALG I) und Arbeitslosengeld II (ALG II) eine Entsolidarisierung innerhalb unseres Sozialversicherungssystems gebracht: Die Abstiegstreppe wurde steiler, wer fiel, fiel schneller und kam kaum wieder hoch.

Um diesen Abschied vom Sozialstaat wieder umzukehren, muss die SPD gerade im Bereich der Sozialpolitik wieder klare Grundsätze verkörpern:

  • Der Staat muss seine Bürger*innen schützen und sich um seine Bürger*innen kümmern.
  • Soziale Sicherheit heißt nicht Kampf gegeneinander, sondern solidarisches Miteinander.
  • Profitinteresse hat in den Bereichen der sozialen Sicherheit wie Rente, Pflege, Gesundheit, Bildung nichts zu suchen.
  • Diese Sozialpolitik setzt gerechte Verteilungspolitik voraus.

 

Konkret bedeutet dies für uns eine gerechte und solidarische Sozialpolitik auf dem Weg zu einem solidarischen Grundeinkommen in folgenden Stufen

  1. Korrektur von Hartz IV durchAbbau der Hürden für den Arbeitslosengeldbezug durch Erleichterung des Zugangs zur Arbeitslosenversicherung durch Verlängerung der Rahmenfrist von zwei auf wieder drei Jahre, d.h. dass innerhalb von drei statt zwei Jahren wieder zwölf Monate gearbeitet werden muss, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Erhöhung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I in Abhängigkeit von vorherigen Beschäftigungszeiten und dem Alter auf bis zu 36 Monate.Einführung eines Mindestarbeitslosengeldes, das oberhalb des Grundsicherungsniveaus für Alleinlebende liegt.Erhöhung und Neuberechnung der Regelsätze.Abschaffung der Sanktionen.Anpassung der Zumutbarkeitsregelungen bei ALG II an ALG I.Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten ohne Stufen und Deckel, d.h. nach dem Freibetrag von 100 Euro kann immer 20 % des Zuverdienstes pro Monat behalten werden und der Deckel von 1200 Euro pro Monat entfällt. Das betrifft insbesondere Saisonarbeiter*innen wie Erntehelfer und z.B. Menschen, die wie Schauspieler oder Grafikdesigner, die von Aufträgen leben.
  2. Einführung einer Kindergrundsicherung für alle Kinder ohne Vorbedingungen, damit endlich die die meiste Unterstützung bekommen, die am wenigsten haben. Die Höhe der Kindergrundsicherung soll dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum (derzeit 619 Euro) entsprechen und mit steigendem Einkommen auf einen Mindestbetrag (derzeit 300 Euro) abschmelzen. Dieser Mindestbetrag soll der maximalen Entlastung durch die steuerlichen Kinderfreibeträge entsprechen
    In einem ersten Schritt darf das Kindergeld nicht mehr auf die Arbeitslosenleistungen angerechnet werden.
  3. Auflegen eines Programms für mindestens 150 000 langzeitarbeitslose Menschen zur Gewährung eines solidarischen Grundeinkommens, das an keine Bedingungen geknüpft ist, um erforschen zu können, ob ein Grundeinkommen die Bereitschaft insbesondere zur Annahme von Arbeit erhöht.
  4. Vergabe von Forschungsprojekten zur generellen Einführung eines solidarischen Grundeinkommens und seiner Finanzierung aus Steuermitteln, die insbesondere auch den Wandel durch die Digitalisierung der Arbeitswelt berücksichtigen und das Grundeinkommen nicht als neoliberales Konzept sieht, sondern als soziales, solidarisches Absicherungskonzept der gesamten Bevölkerung.

 

Begründung:

Mehr denn je sind wir als SPD gefordert die Frage zu beantworten: „Wie wollen wir und unsere Kinder in Zukunft leben?“ Insbesondere die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und die Absicherung der Lebensrisiken ist für die meisten Menschen ein zentrales Zukunftsthema.

Längst gilt das Versprechen der Teilhabe am Wohlstand und Aufstiegsmöglichkeiten nicht mehr. Vielmehr ist die Realität nach den Jahrzehnten, in denen der Neoliberalismus Politik geprägt hat, dass das Wohlstandsversprechen nicht mehr gilt.

Die Nachkriegszeit war in materieller Hinsicht eine Gesellschaft des sozialen Aufstiegs. Zwischen 1950 und 1970 verdreifachten sich die Nettoreallöhne. 1970 waren 84 % der Arbeitsverhältnisse sogenannte Normalarbeitsverhältnisse. Obwohl auch in dieser Zeit die Kluft hinsichtlich Einkommen und Vermögen größer wurde, war dies von nicht so großer gesellschaftlicher Bedeutung, da es allen besser ging.

Der Sozialstaat wurde von allen, auch von Christdemokraten und Freidemokraten akzeptiert. Sozialausgaben und höhere Löhne wurden als Garanten für Wirtschaftswachstum betrachtet. Diese Sichtweise existierte bis weit hinein des 20. Jahrhunderts.

Als die Unternehmen zunehmend auf internationalen Märkten tätig wurden und die Finanzmärkte, weil die Politik sie zunehmend deregulierte, immer mächtiger wurden, begann sich dies zu ändern.

Dieser wurde zunehmend als zu teuer und ineffizient kritisiert. Dieser Sichtweise erlag auch die Sozialdemokratie. Und die Agenda 2010 sollte die Abkehr von der sogenannten „Hängematten-Mentalität“ einleiten und Menschen in die Lage versetzen, ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Die Konsequenz war die Privatisierung staatlicher Aufgaben und das Propagieren eines schlanken Staates.

  1. Korrektur von Hartz IV:
    Die Hartz-Reformen waren der Kern der Agenda 2010. Sie bedeuteten das Absenken sozialstaatlicher Leistungen und den Abbau des Arbeitnehmer*innenschutzes. Damit sollte der/die Einzelne wieder stärker motiviert werden, sich anzustrengen und vorzusorgen. Letztlich aber führte diese Politik zu einer Entwürdigung derer, die arbeitslos geworden waren, zu einer Entsolidarisierung zwischen Bevölkerungsgruppen sowie zu massiven Abstiegsängsten. Außerdem gibt es keine belastbaren Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen den Arbeitsmarktmaßnahmen der Agenda 2010 und der verhältnismäßig guten wirtschaftlichen Konjunktur bis 2014.
  2. Einführung einer Kindergrundsicherung:
    Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Armut bedroht. Ein Armutszeugnis für unsere reiche Gesellschaft. Der Kinderzuschlag ist offensichtlich nicht geeignet, dem entgegen zu wirken. Er ist zu bürokratisch und unterliegt denselben restriktiven Bedingungen wie Hartz IV. Statt Hartz IV-Leistungen auf der Grundlage von Erwachsenen abgeleiteter Regelsätze brauchen Kinder eine existenzsichernde Kindergrundsicherung, die auch die Einkommenssituation der Eltern berücksichtigt. Denn bisher gilt, dass das Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet wird und Kinderfreibeträge für hohe Einkommen lukrativer sind als das Kindergeld.
  3. Auflegen eines Programms für mindestens 150 000 langzeitarbeitslose Menschen zur Gewährung eines solidarischen Grundeinkommens. Finnland erprobt bei 2 000 Menschen das bedingungslose Grundeinkommen. Die Schweiz ebenfalls. Die Befreiung von der minutiösen Überwachung durch die Arbeitsbehörde samt der Möglichkeit, Jobs ohne Abzug ist nach Aussagen von Teilnehmer*innen ein positiver Antrieb. Die Unabhängigkeit vom Jobcenter sei die größte mentale Veränderung. Neben den 150 000 geförderten Stellen zur Teilhabe auf dem sozialen Arbeitsmarkt, die sich an sogenannte „arbeitsmarktferne“ Personen richtet, brauchen wir die generelle Abkehr von einem auf Reglementierung aufbauenden Sozialsystem. Um hier belastbare Daten zu bekommen und mittelfristige Reformen des Sozialsystems einleiten zu können, brauchen wir ein Programm, das Praxiserfahrungen liefert.
  4. Vergabe von Forschungsprojekten zur generellen Einführung eines solidarischen Grundeinkommens. Den vielfältig existierenden Ansätzen und Konzeptversuchen für ein Grundeinkommen muss ein klares Konzept für ein solidarisches Grundeinkommen entgegengesetzt werden, das steuerfinanziert ist. Um hierfür solide Argumente zur Verfügung zu haben, müssen Forschungsaufträge mit klaren solidarischen Fragen vergeben werden, wie: Wie hoch werden die Ausgaben sein bei unterschiedlicher Ausgestaltung der Höhe des solidarischen Grundeinkommens, wie hoch die „Einsparungen“ durch den Wegfall der bisherigen Sozialausgaben. Wie kann die Frage der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gelöst werden. Wie muss die Steuerprogressionskurve verlaufen, um die Ausgaben zu decken, ohne z.B. Investitionen zu beschneiden, wie müssen sich Höchstvermögende und Bezieher höchster Erbschaften beteiligen usw.
Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt durch A4