2 Bürokratieabbau bei der Scheinselbstständigkeit und damit zeitgemäße effektive Arbeitsformen ermöglichen Rechtsunsicherheit beseitigen durch klarere Vorgaben, eine unabhängige Institution für das Statusfeststellungsverfahren und dabei die Rentenversicherung stärken

Antrag:

Der Begriff der Scheinselbständigkeit ist abzuschaffen. Es sollten vielmehr Kriterien, die für eine prekäre abhängige Selbstständigkeit sprechen herangezogen werden, um eine ausbeuterische sog. Scheinselbstständigkeit zu bestimmen. Die aktuelle Rechtslage bildet nur unzureichend die heutige Arbeitswelt ab.

Die SPD wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass im Arbeitsministerium eine entsprechende Anpassung in den Regelungen erfolgt. Diese Anpassung sollte eindeutig formuliert werden, so dass die Bürokratie für Unternehmen und Soloselbständige in dem Bereich reduziert wird und Rechtssicherheit hergestellt wird. Ist es in dieser Legislatur nicht möglich, die o. a. Änderung vorzunehmen, sind der Prozess rechtssicherer zu gestalten. Ein klares Kriterium der Selbstständigkeit ist es zum Beispiel, wenn eine Projekttätigkeit erbracht wird, für die es einen öffentlichen Markt gibt und dessen Stundensatz nicht niedriger ist, als die vergleichbaren Kosten für eine Bruttostunde von vergleichbaren Tätigkeiten in Festanstellung.

Weiterhin ist eine unabhängige Clearingstelle einzurichten, welche die Statusfeststellungsverfahren durchführt. Das kann ein Gremium sein, das aus Vertretern der IHK, HWK, Freier Berufe und von Verbänden zusammengesetzt ist. Transparenz muss oberstes Gebot sein sowie die Möglichkeit, Rechtsmittel einlegen zu können.  In öffentliche Belange können Vertreter der Arbeitsagentur, der GKV und der RV mit einbezogen werden. Den Selbstständigen ist dann jedoch eine anwaltliche Vertretung beizustellen, deren Kosten von der Rentenversicherung übernommen werden muss, sollte Selbstständigkeit festgestellt werden.

Begründung:

In Deutschland sind wir zurecht stolz auf unser Sozialsystem. Es fördert den sozialen Frieden und stabilisiert unsere Gesellschaft und stärkt den Zusammenhalt. Es ermöglicht den meisten ein würdevolles Leben und einen weitgehend sorgenfreien Ruhestand. Durch die Abfederung wirtschaftlicher Risiken und die Unterstützung in Notlagen trägt unser Sozialsystem wesentlich zur Stabilität unserer Demokratie und zur Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft bei. Die Rentenversicherung leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Viele Regelungen stammen jedoch mittlerweile aus einer Arbeitswelt aus dem letzten Jahrhundert. Damit das System seine Akzeptanz behält und auch für die Zukunft diesen stabilisierenden Beitrag leisten kann, sind grundsätzliche Anpassungen notwendig. Die aktuellen Kriterien welche geprüft werden, passen nicht in die heutige Arbeitswelt.

Diese hat sich tiefgreifend verändert. In innovativen Branchen arbeiten viele Personen eng, oft über Jahre mit hohem Kommunikationsbedarf zusammen. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass jede:r zweite Selbstständige ohne Angestellte arbeitet. Geistige hoch qualifizierte Arbeit lässt sich heute gut durch die Digitalisierung auch allein organisieren. Mit zunehmender Verbreitung von KI Lösungen wird dieser Effekt eher noch zunehmen. Dabei arbeiten diese Personen oft langfristig eng in Kundenprojekten, die eine gewisse Eingliederung in Betriebsabläufe verlangen, auch wenn keine Weisungsbefugnis vorliegt. Termine müssen abgestimmt werden und das Wissen wird praxisnah in gemeinsamen Meetings vermittelt. Wissensarbeitende verstehen sich als Selbstständige. Daher gelten diese Tätigkeiten zunächst als selbstständige Arbeit und sind zunächst nicht sozialversicherungspflichtig. Kommt es jedoch zu einer Statusfeststellung, so ist oft unklar, wie diese Tätigkeit durch die Rentenversicherung eingestuft wird.

Hinzu kommt, dass die Rentenversicherung, welche von einem sozialversicherungspflichtigen Status direkt profitiert und daher nicht als unabhängig gewertet werden kann, diese Einstufung vornimmt. Die Rentenversicherung stellt auch keine Statistiken bereit, wie sie diese Verfahren entscheidet. Für Selbstständige Freelancer löst das Wort „Rentenversicherung“ daher eher Stress aus, als dass die positiven Aspekte gesehen werden können. Lösungsansätze können sich durch diese drei Ansatzpunkte ergeben.

  1. Bürokratieabbau und Rechtssicherheit durch klare Kriterien
  2. Rechtssicherheit durch unabhängige Statusfeststellungsverfahren

1.    Bürokratieabbau durch klare Kriterien

Es ist wichtig, dass es strenge Kriterien gibt, um Scheinselbstständigkeit in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu verhindern. Gute Arbeit ist ein Menschenrecht und sollte für möglichst viele zugänglich sein. Durch Sub-Sub-Sub-Unternehmen werden die Schwächsten ausgepresst, obwohl sie wie z. B. bei den Paketboten einen wesentlichen Teil des Services abarbeiten aber nur einen Bruchteil vom entsprechenden Umsatz erhalten.

Dieses Phänomen trifft auf die oben beschriebenen Selbstständigen in der Wissensarbeit nicht zu. Es herrscht in den meisten Fällen eine gute Auftragslage und die Branche der Freelancer hat sich über Experten-Plattformen etabliert, ohne dass ein Preisdumping eingetreten ist. In den meisten Projekten gibt es für die entsprechenden Aufgaben klare Projektbeschreibungen wie z. B. Projektleiter, Data Analyst, Agile Coach und viele mehr. Bei entsprechend breiter und aktueller Qualifizierung des Freelancers gibt es keine Abhängigkeit zu einem Kunden, selbst wenn ein Projekt intensiv ist und länger als ein Jahr dauert. Ein Kriterium der Selbstständigkeit liegt daher vor, wenn es sich um eine solche Aufgabenbeschreibung handelt oder der Tagessatz mindestens genauso hoch ist wie die Bruttolohnkosten eines vergleichbaren Angestellten. Weiterhin ist von Selbstständigkeit auszugehen, wenn die Person weitgehend selbstständig über ihre Zeit verfügt. Trifft eines der Kriterien zu, so handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit. Die AGS Bayern/Bund wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass im Arbeitsministerium eine entsprechende Anpassung in den Regelungen erfolgt. Diese Anpassung sollte eindeutig formuliert werden, so dass die Bürokratie für Unternehmen und Soloselbständige in dem Bereich reduziert wird und Rechtssicherheit hergestellt wird.

2.    Rechtssicherheit durch unabhängige Statusfeststellungsverfahren

Die Einstufung der Scheinselbständigkeit durch die Rentenversicherung birgt einige Nachteile für Selbstständige und ihre Auftraggebende. Zum einen fehlt es der Rentenversicherung oft an tieferem Verständnis für moderne, flexible Arbeitsformen und die spezifischen Bedingungen verschiedener Branchen. Dies kann zu Fehleinschätzungen führen, bei denen legitime selbstständige Tätigkeiten fälschlicherweise als scheinselbstständig eingestuft werden. Zudem neigt die Rentenversicherung dazu, im Zweifel eher eine abhängige Beschäftigung anzunehmen, was die Verhandlungsposition des Selbstständigen schwächt.

Zudem ist das Prüfverfahren der Rentenversicherung oft langwierig und intransparent. Selbstständige müssen während dieser Zeit mit erheblicher Rechtsunsicherheit leben, was ihre Geschäftsbeziehungen und -planung dann stark beeinträchtigen kann. In Einzelfällen ist dies immer wieder existenzbedrohend. Im Falle einer negativen Entscheidung drohen zudem hohe Nachzahlungen. Auch dies kann die wirtschaftliche Existenz des Selbstständigen gefährden, selbst wenn die Einstufung auf einer fragwürdigen Beurteilung beruht. Es ist daher dringend notwendig, diese Verfahren durch eine andere unabhängige Clearingstelle in transparenten Verfahren durchzuführen. Der Antrag auf Statusfeststellung kann weiterhin durch die Rentenversicherung erfolgen. Den Selbstständigen ist dann jedoch eine anwaltliche Vertretung beizustellen, deren Kosten von der Rentenversicherung übernommen werden muss, sollte Selbstständigkeit festgestellt werden.

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