Schwangerschaftsabbrüche müssen auch in Bayern endlich als Teil der medizinischen Grundversorgung anerkannt werden.
Wir fordern, dass
- so wie es in unserem Zukunftsprogramm steht, Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten müssen,
- aktuelle Daten über die Versorgungslage bzgl. ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen nach der Beratungsregelung in Bayern erhoben werden,
- die Staatsregierung ihrer Verantwortung gemäß § 13 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten nachkommt und ein ausreichendes Angebot (nach BVerfG-Urteil 1993) ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen nach der Beratungsregelung gewährleistet wird,
- diese Verantwortung nicht auf die Kommunen abgeschoben und die gesetzlich vorgeschriebene freie Wahl der Abbruchmethode sichergestellt wird, um damit den betroffenen Frauen eine flächendeckende qualitative medizinische Versorgung zu bieten,
- die Fortentwicklung und Verbesserung der medizinischen Verfahren beim Abbruch von Schwangerschaften sichergestellt wird sowie eine entsprechende und bedarfsgerechte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten gewährleitet ist und
- über die verpflichtenden Beratungen hinaus ein flächendeckendes und vor allem plurales Beratungsangebot für alle betroffenen Frauen geschaffen und die Finanzierung der Beratungsangebote sichergestellt wird;
Bundesweit gibt es in den letzten Jahren immer weniger Kliniken und Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Diese Entwicklung führt auch in Bayern dazu, dass Frauen, die sich für einen Abbruch entschieden haben, z.T. nicht einmal mehr in ihrem eigenen Regierungsbezirk eine Klinik finden. In Schwaben, Niederbayern und der Oberpfalz gibt es keine Klinik, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Zudem sinkt auch die Zahl der niedergelassenen Ärzte, die Abbrüche durchführen. Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche ist in Bayern hingegen seit zehn Jahren etwa auf dem gleichen Stand. Um auf den Bedarf adäquat eingehen zu können, müssen aber zunächst Daten erhoben werden, wie sich aktuell die Versorgungslage darstellt.
Die Gründe für die schlechter werdende Versorgungslage sind unterschiedlich und zeichnen sich seit Jahren ab. Bei den Gynäkologen und Gynäkologinnen steht ein Generationswechsel bevor. Statistiken belegen, dass ein Großteil der Ärztinnen und Ärzte, die noch Schwangerschaftsabbrüche vornehmen schon im Rentenalter oder über 60 Jahre alt sind. In den 60er und 70er Jahren hatten sich Mediziner aufgrund der damaligen Debatten zum § 218 aus der eigenen Überzeugung heraus auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisiert.
In ganz Deutschland mangelt es inzwischen an ärztlichem Nachwuchs, der sowohl bereit als auch qualifiziert ist, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Pro Familia und andere Beratungseinrichtungen warnten mehrfach vor einer bevorstehenden medizinischen Unterversorgung in diesem Bereich und fordern Lösungen von der Politik.
Im Bereich der Nachwuchsförderung gibt es dringenden Bedarf: Nach Aussagen von Pro Familia haben Methoden des Schwangerschaftsabbruchs in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern keinen angemessenen Stellenwert und gehören selten zum Ausbildungsstandard von Universitätskliniken. Umso wichtiger ist es, dass es Teil der medizinischen Ausbildung der künftigen Ärzte und Ärztinnen wird. Für den persönlichen Umgang mit ungewollt schwangeren Frauen fehlt es sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei Hilfs- und Pflegepersonal an Qualifizierung und Supervision. Zudem ist ein medizinischer Eingriff, der immer mit dem Strafgesetzbuch in Verbindung gebracht wird, der, wenn auch straffrei, grundsätzlich nicht erlaubt ist, nicht im Wettbewerb um die beste Methode und die patientenfreundlichsten Bedingungen.
Auch Kosten und Aufwand sind für Medizinerinnen Gründe gegen das Praktizieren des Eingriffs: Ein operativer Abbruch erfordere steigenden Aufwand und könne auch nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden.
Für viele abschreckend ist das Risiko der öffentlichen Brandmarkung durch Abtreibungsgegner. Mit der Debatte um den Paragrafen 219a ist erneut eine Debatte entbrannt und führte bei vielen zur Rechtsunsicherheit. Dessen geplante Abschaffung ist ein sehr entscheidender Schritt.
Leidtragende dieser Situation sind die Frauen. In vielen Regionen Bayerns ist es für sie nicht gewährleistet, wohnortnah eine entsprechende Auswahl an Qualität der medizinischen Behandlung Praxen oder Krankenhäusern zu finden. Das bedeutet für die betroffenen Frauen lange Wartezeiten, was bei Abtreibungen, die innerhalb von gesetzlich geregelten oder medizinisch indizierten Fristen vorgenommen werden müssen, zu großen Problemen führen kann. Verzögerungen stellen eine unnötige Belastung und eine Gefährdung der psychischen und körperlichen Bewältigung des Schwangerschaftsabbruchs für die Frauen dar. Bei Schwangerschaftsabbrüchen, die nach der neunten Woche durchgeführt werden, steigt die Komplikationsrate von Woche zu Woche schon geringfügig an.
Eine verantwortungsvolle eigene Entscheidung werden Frauen am ehesten treffen können, wenn sie nicht unter Druck geraten und wenn sie umfassend über alle möglichen Alternativen informiert sind. Hierfür ist ein flächendeckendes plurales Beratungsangebot für alle betroffenen Frauen notwendig, das auch über die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen hinausgeht.