B5 05 Guter Ganztag

  1. Als SPD favorisieren wir den gebundenen (rhythmisierten) Ganztag.
  2. Guter Ganztag bietet gleichermaßen ausreichend Raum für Lern-, Übungs- und Erholungsphasen. Er entlastet Lernende und das häusliche Umfeld weitestgehend von schulischen Verpflichtungen.
  3. Im rhythmisierten Ganztag ist Raum für Selbstorganisation, Inklusion, Pflicht- und Neigungsfächer, Fördermaßnahmen und eigene Projekte.

 

Vorwort. Die „Gute Ganztagsschule“ ist schon immer ein Herzensprojekt der SPD, da sie die Chancengleichheit in der Bildungspolitik ermöglicht. Herz, Kopf und Engagement dürfen über den Erfolg einer Bildungs- und Berufskarriere entscheiden, niemals aber der soziale Hintergrund oder die finanziellen Möglichkeiten.

An 65 % aller Schulen in öffentlicher und privater Trägerschaft wurde 2019 in Bayern Ganztagsunterricht in offener oder gebundener Form angeboten. Bayern liegt damit deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt (70,6%). Damit ist aber überhaupt nicht ausgesagt, wie viele Kinder und Jugendliche diese Angebote tatsächlich auch annehmen.

In Bayern besuchen 2019 lediglich 18,6% (Bundesdurchschnitt 45,9%) der Schüler:innen eine ganztägig arbeitende Schule in öffentlicher und privater Trägerschaft in offener oder gebundener Form (an privaten Schulen 33%. Im Ländervergleich nimmt Bayern damit den letzten Platz unter den Bundesländern ein. Zum Vergleich: In der Hansestadt Hamburg besuchen 93,4% aller Schüler:innen eine Ganztagsschule in offener und gebundener Form.

Betrachtet man separat den Besuch von gebundenen Ganztagsschulen, an der die zusätzlichen Angebote für alle Schüler:innen verbindlich sind, besuchen in Bayern 2019 hingegen nur 8,2% (Bundesdurchschnitt 21,1%) aller Schüler:innen eine gebundene Ganztagsschule.

Ganztagsschulangebote gibt es somit viele in Bayern – jedenfalls wird das vielerorts behauptet. Vieles entspricht sogar der KMK Definition. Die Angebote werden allerdings nur von einem Fünftel der Schüler:innen genutzt.

Es gibt z.B. Gymnasien, an denen am „ganzen Tag“ Schule ist. Zwar gibt es einige gute Projekte, aber viel zu oft lernen unsere Kinder dort noch nach nicht mehr zeitgemäßen Methoden und in althergebrachten Strukturen. Auch die Pädagogik hat sich an vielen Schulen nicht oder nur wenig verändert. Die Pädagogik in einer modernen Ganztagsschule muss sich an den heutigen erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogischen Erkenntnissen orientieren. Eine „Gute Ganztagsschule“ bedeutet auch viel mehr als einzelne Unterrichtsstunden oder Betreuungs- bzw. Freizeitergänzung am Nachmittag.

Die Folge zurückliegender Bildungsreformen ist ein kurzfristiges Lernen großer Mengen von Faktenwissen vor Prüfungen, die nachweislich größtenteils innerhalb weniger Stunden und Tagen wieder vergessen werden. Eine moderne Schule muss sich dagegen für nachhaltiges anwendbares Lernen engagieren und sich auch um weitere Kompetenzen und die Entwicklung des gesamten Menschen und dessen Bedürfnisse kümmern.

Unsere Kinder sollten das, was sie lernen, mit Neugier und Begeisterung aufnehmen, nicht aber den Stoff aus Pflichterfüllung wiederholen. Dazu ist es unerlässlich, dass neue erprobte Lehr- und Lernmethoden aus den Erziehungswissenschaften übernommen werden und wohnortnahes und gemeinsames Lernen in Gemeinschaftsschulen als ergänzendes Angebot und wichtige Zukunftsperspektive ermöglicht wird.

Wir brauchen neue, durchlässige Lehr- bzw. Bildungspläne, offene Klassenzimmer, lebenswerte Lernräume, eine reformierte Ausbildung von Lehrer:innen, aktive Eltern, die den Lernprozess begleiten sowie Verantwortliche in Politik und Verwaltung, die zum Gelingen beitragen.

Für eine kindgerechte und erfolgreiche moderne Pädagogik müssen wir neu denken:

  • Weg von der Frage: „Wie muss ein Kind sein, um der Schule gerecht zu werden?“ hin zu der Frage: „Wie muss die Schule sein, damit sie dem Kind gerecht wird?“
  • Weg von der Frage: „Welchen Anspruch müssen Schüler:innen in welchem Alter gerecht werden?“ und hin zu: „Was braucht dieser eine junge Mensch, um sich in seiner ganzen Persönlichkeit gesund weiterzuentwickeln und einen größtmöglichen Lernerfolg sowie bestmöglichen Schulabschluss zu erreichen?“

Besonders hervorzuheben ist, dass in einer „Guten Ganztagsschule“ genügend Übungsphasen stattfinden, so dass meist keine Hausaufgaben nötig sind. Übungs-, Lern- und Förderstunden haben ihren Platz im Rahmen ihrer Zeitstruktur. Kommen die Kinder und Jugendlichen aus der Schule, können sie ihre Freizeit genießen, sich in Vereinen engagieren sowie am öffentlichen und privaten Leben teilhaben.

Die „Gute Ganztagsschule“ bietet Kindern und Jugendlichen nicht nur einen angemessenen Rahmen zum kognitiven und sozialen Lernen, sondern schafft auch Raum, um altersgemäße und entwicklungsspezifische Lebensbedürfnisse befriedigen und soziale Kompetenzen erlernen zu können.

Um erfolgreiche, am Bildungserfolg messbare „Gute Ganztagsschulen“ zu bekommen, brauchen wir ein anderes Selbstverständnis von Schule. Weg von der reinen Lehranstalt, hin zum Lern-, Lebens-, Erfahrungs- und Kulturort, an dem Werte erhalten und vermittelt sowie Integration und Inklusion gelebt werden und alle Beteiligten die Verantwortung für das Gelingen des Lern- und Entwicklungserfolges der Schüler:innen tragen. Wir müssen die Akzeptanz für „Gute Ganztagsschulen“ durch ein flächendeckendes, sichtbares und greifbares Ausbauprogramm steigern. Dieses muss einmal die nötigen Ressourcen und räumlichen Voraussetzungen sowie als zweite Säule die Qualität und die Inhalte beschreiben.

„Gute Ganztagsschulen“ müssen sich vernetzen, präsentieren und als Leuchttürme ins Land strahlen. Notwendig dafür ist ein Ende des Denkens in Zuständigkeiten:

Wie in den Kommunen, Schulen und Jugendhilfe für eine gute ganztägige Bildung an einem Strang ziehen muss, muss auf Landesebene Bildungs- und Sozialpolitik zusammengedacht werden.

 

Leitbild „Gute Ganztagsschule“

 

  1. Arbeiten und Lernen

Wir werden dafür sorgen, dass in „Guten Ganztagsschulen“ die Lehrkräfte und die Schüler:innen mehr Zeit füreinander haben. Alle Beteiligten im System Schule arbeiten selbstverständlich auch am Nachmittag zusammen. Schüler:innen und Lehrkräfte nehmen neue Rollen ein: sie verstehen sich als Lernpartner und übernehmen gemeinsam die Verantwortung für den Lernerfolg. In Arbeitsgruppen, beim gemeinsamen Mittagessen und in den Pausen lernen sich die Lernpartner:innen auf unterschiedlichen Ebenen besser kennen und schätzen.

Wir werden sicherstellen, dass die Schulleitung sich um die Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligten sowie um die Entwicklung einer Schulkultur mit gemeinsamen Fortbildungen zur Unterrichts- und Schulentwicklung kümmern kann. Hierzu wird ausreichende Leitungszeit zur Verfügung gestellt. Schulleitungen arbeiten in Teams bzw. in vergrößerten Schulleitungen. Für eine veränderte Aufgabenstellung für die Schulleitungen werden wir des Weiteren dafür sorgen, dass außerschulische Personengruppen und Institutionen systemisch konstruktiv in die Arbeit der Ganztagsschule eingebunden werden. Gemeinsam formulieren alle ein Entwicklungsziel als Vision und kommunizieren dies laufend an neue Mitglieder der Schulfamilie.

Ein angenehmes Schulklima wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf die Schulleistungen aus. Diese Grundhaltung einem heranwachsenden jungen Menschen gegenüber hat viel mit der Vermittlung und Verwirklichung demokratischer Werte zu tun. Die Lernbegleiter:innen / Lehrer:innen schaffen eine Atmosphäre, in der die Schüler:innen ihr Urbedürfnis nach individuellem Lernen frei entfalten können. Die Lehrkräfte führen also keinen Klassenverband durch einen vorgegebenen Lerninhalt, sondern begleiten jede:n einzelne:n Schüler:in auf dem eigenen Lernweg zum individuell größtmöglichen Erfolg.

Lernbegleiter:innen / Lehrer:innen sind immer im Mittelpunkt des Geschehens und nehmen hierbei – das ist das Besondere – immer einen multiperspektivischen Blick ein. Gute Lehrkräfte sehen den eigenen Unterricht auch mit den Augen ihrer Schüler:innen, wie Hattie aus seinen Metastudien über erfolgreiches Lernen schlussfolgert.

Mangelnder Lernfortschritt wird noch häufig mit den Schwächen der Schüler:innen, mit „Faulheit“, der fehlenden Eignung oder der zu geringen Unterstützung des Elternhauses erklärt. Stattdessen sollten alle Beteiligten dazu beitragen, dass jeder Einzelne seine Talente und sein Potenzial bestmöglich entfalten kann. Wir werden auch Verantwortungsbereiche für Schüler:innen geschaffen, z.B. als Mentor:innen, Assistent:innen, AG-Leiter:innen, Pat:innen oder Fachleute (z.B. aus ihrem Hobby).

Eine „Gute Ganztagsschule“ als Lebensort kann nicht vollständig über einen längeren Zeitraum geschlossen werden. Sie bietet ihre Räume und Einrichtungen offen an und hält Angebote für Ferienzeiten vor.

Bei der Gestaltung der „Guten Ganztagsschule“ dürfen und müssen alle Beteiligten mitarbeiten: Eltern, Schüler:innen sowie Mitarbeiter:innen werden in einer verlässlichen Struktur gleichberechtigt an der Entwicklung der Schule und an deren Entscheidungen durch eine angemessene Vertretung in den Gesamt-, Schul-, Klassen- bzw. Fachkonferenzen sowie in pädagogischen Konferenzen beteiligt. Die Einführung eines Schulparlamentes ist anzustreben.

 

  1. Die rhythmisierte Form

Für die Umsetzung aller im oberen Teil genannten pädagogischen Ansätze ist die Ganztagsschule in rhythmisierter Form unerlässlich. Es braucht dafür mehr Zeit am Tag und innerhalb der Schulwoche, um die wichtigen Bereiche von der individuellen Förderung und Coaching über Vermittlung und Stärkung von sozialen Kompetenzen bis hin zu demokratischer, musischer, sportlicher und künstlerischer Erziehung zu leisten.

„Gute Ganztagsschule“, wie hier beschrieben, kann nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn alle Schüler:innen einer Schule diese an mindestens 3 – 4 Tagen in der Woche in der Regel von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr besuchen. Zusätzlich sollte es vor und nach der organisierten Schulzeit sowie ggf. an den „freien Nachmittagen“ Betreuungsangebote mit freien Inhalten bzw. im Sinne eines Freizeitangebotes geben, damit eine Verlässlichkeit an allen Tagen in sinnvollen Zeiten für die Schüler:innen sowie deren Eltern gegeben ist. Jede Schule muss diesen Punkt an die Bedürfnisse aller Beteiligten vor Ort anpassen können.

Es ist klar, dass in einer „Guten Ganztagsschule“ die Zeit an diesem Ort nicht eine Ausweitung der Unterrichtszeit im Sinne einer Halbtagsschule sein kann. Sie ist ein Lernort und Lebensraum, der gutes Lernen zu den richtigen Zeiten mit Freizeit-, Übungs- und Erholungs- sowie Förderphasen verbindet.

In der rhythmisierten Ganztagsschule wird der an Halbtagsschulen dicht gedrängte Vormittag entzerrt und die Lernphasen, Übungsanteile, Freizeit- sowie kulturelle Angebote auf den ganzen Tag verteilt. Damit werden die Angebote am Vormittag mit den Angeboten am Nachmittag sinnvoll verzahnt. (die Zeit als vierte Pädagog;innen)

Die inhaltliche Ausgestaltung eines organisierten Schultages umfasst mehrere, sich abwechselnde Inhalte:

  • Unterricht / Inputphasen
  • Erarbeitungs- und Vertiefungsphasen (Einzel-, Partner:innen- und in der Gruppenarbeit)
  • unterrichtsbezogene Ergänzungen, Lernateliers
  • themenbezogene Projekte und fächerübergreifende Vorhaben
  • Förderung (Defizite wie Begabungen), Coaching
  • Freizeitgestaltung
  • Kernfächer
  • Neben- / Neigungsfächer

 

  1. Individuelle Förderung

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Sie ist z. B. durch größere Mobilitätsanforderungen, starke Zuwanderungen von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise, Instabilität vieler Arbeitsverhältnisse, Digitalisierung, Notwendigkeit von Integration und Inklusion (UN-Menschenrechtskonvention) geprägt. Die Heterogenität nimmt zu, die Vorstellung von homogenen Klassen war nie richtig und ist nun erwiesenermaßen überholt. In Zukunft müssen die Lehrkräfte mehr moderieren als dozieren, um das Potential jeder:s Einzelnen zu erkunden und zu fördern.

„Gute Ganztagsschulen“ bieten allen Schüler:innen Möglichkeiten von ganzheitlichem Lernen: Also mehr Zeit für Bildung und Erziehung. Neben unterrichtsergänzenden Angeboten bieten sie auch Angebote zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung und -stärkung. Dabei stehen nicht die abrufbaren Fakten und klassischen Lehrpläne im Vordergrund, sondern das nachhaltige Lernen durch die Nutzung der verlängerten Lernzeit zum Üben und Fördern.

Ein weiterer wichtiger Baustein über den ganzen Tag sind Konzepte zur sozialen Erziehung und zur Steigerung der sozialen Kompetenz. Hierzu gehören feste Regeln, Umgang mit Konflikten sowie Rituale, die alle Menschen innerhalb und außerhalb der Ganztagsschule kennen und anwenden müssen.

Ganztagsschulen sind mehr als Lernorte, sie sind Lebensorte mit Raum und Angeboten für Bewegung, Begegnung, Lernen, Spiel und Erfahrungen. Sie wollen den Menschen ganzheitlich entwickeln und eine gesunde körperliche, geistige, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes fördern.

 

  1. Entwicklung der Lehrkräfte und des Unterrichtes

Der individualisierte Unterricht stellt hohe Anforderungen an die Lehrkräfte. Sie müssen neue didaktische Methoden beherrschen und den:die einzelne:n Schüler:in richtig einordnen. Sie müssen z.B. folgende Fragen beantworten:

  • „Welche Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sind vorhanden?“
  • „Welche Lernziele und Kompetenzen sollen als nächstes angegangen werden?“
  • „Wer soll in einem Team gemeinsam Aufgaben bearbeiten?“
  • „Wer lernt besser allein?“
  • „Wer arbeitet besser zusammen? Mit wie vielen?“
  • „Wo sind Schwerpunkte in der Förderung zu setzen?“

Die Lehrkräfte im individualisierten Unterricht sind nicht nur Moderator:innen, sondern sie steuern den Lernprozess und passen die Methoden ihren Schüler:innen an. Dabei müssen sie sich nicht permanent im Mittelpunkt bewegen, sondern verstehen es, sich situationsgerecht einzubringen wie auch sich zurückzuziehen. Somit entsteht ein Wechsel von Phasen des Inputs bis zur Freiarbeit und hin zum Coaching-Gespräch. Die Ausbildung von Lehrer:innen muss entsprechend weiterentwickelt werden. Schulbücher und Unterrichtsmaterialien, die verschiedene Aufgabenniveaus und Kompetenzraster abbilden, müssen neu nach Änderung der Bildungspläne konzipiert werden.

Selektion und Benotung dürfen nicht mehr den Schulalltag bestimmen. Die Lernarbeit konzentriert sich vielmehr auf die Entwicklung der individuellen Stärken und die Stärkung der weniger gut ausgeprägten Fähigkeiten. Auch die Leistungsmessung und -bewertung muss überdacht werden:

  • von einer Noten- zu einer Kompetenzkultur
  • Dokumentation in einem Lerntagebuch
  • Vorbereitung mit Unterstützung des:r Lernbegleiter:in der:s Lehrerin:s
  • möglichst freie Wahl der Testat-Zeitpunkte
  • modularisierter Aufbau der Inhalte und Prüfungen
  • klare Trennung von Lern- und Prüfungsphasen

Individuelles Lernen bedeutet, dass die Struktur des Schuljahres, der Unterrichtsphasen und des einzelnen Lerntages den äußeren Rahmen bilden, der eine umfassende Ausgestaltung des eigenständigen Lernens überhaupt erst möglich macht. Im Unterschied zu einem Stundenplan, wie er in Regelschulen üblich ist, verzichtet diese Wochen- und Tagesstruktur jedoch auf eine Unterteilung nach 45-Minuten-Schulstunden, sondern gibt lediglich die Unterrichtsphasen vor.

 

  1. Multiprofessionelle Teams

Teamarbeit auf Augenhöhe ist die Grundlage des gemeinsamen Arbeitens in einer rhythmisierten Ganztagsschule. Für die personelle Besetzung ist eine gute Mischung aus ausgebildeten Lehrkräften, Schulsozialarbeiter:innen, Trainer:innen, fachlichen Spezialist:innen (z.B. Schulpsycholog:innen, Logopäd:innen, Heilpädagog:innen) sinnvoll. Diese multiprofessionellen Teams kooperieren miteinander auf Augenhöhe, beraten sich gegenseitig und gestalten die Lern- und Entwicklungsprozesse gemeinsam. Kommunen und Land sind hierbei mit Unterstützung des Bundes in der Pflicht für verlässliche und vollwertige Beschäftigungsverhältnisse im Sinne „guter Arbeit“ zu sorgen und die Eigenverantwortung der Schulen vor Ort zu stärken.

Um den komplexer gewordenen Schulalltag zu bewältigen ist auch die regelmäßige und temporäre Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern notwendig. Diese kann und muss durch den gesamten Schultag nach dem Rhythmus der Schule organisiert werden. Eine generelle Trennung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten ist in einer Guten Ganztagsschule nicht möglich, die Gestaltung von Kooperation und Teamarbeit ist Teil des professionellen Selbstverständnisses aller Beteiligten. Auch in möglichst vielen Fachbereichen sollten verlässliche Kooperationen mit außerschulischen Partnern und Lernorten sowie mit Expert:innen und Einrichtungen in der Region geschlossen werden. Die Schulen müssen sich hierfür öffnen (dürfen) und ihre Ressourcen, ihre Materialien und Räumlichkeiten in diese Kooperationen einbringen.

Diese Angebote müssen attraktiv sein, auf die Schüler:innen und ihre Interessen abgestimmt sein und sich gegenseitig ergänzen. Gerade hier sollten mehr Möglichkeiten genutzt werden, verstärkt andere Lernorte aufzusuchen und jahrgangsübergreifende Angebote zu tätigen. Hierzu müssen Rahmenverträge mit außerschulischen Verbänden und Vereinigungen geschlossen werden, die eine Kooperation für einzelne Schulen erleichtern und rechtlich absichern. Vor Ort müssen Landkarten von regionalen Bildungslandschaften entwickelt und umgesetzt werden. Andere Bundesländer machen das seit Jahren vor.

Mit den multiprofessionellen Teams werden die Lerninhalte auf vielfältigen Ebenen vermittelt und gefestigt. Während Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien in Vereinen sowie an Musik- und Kunstschulen kaum anzutreffen sind, erreichen die Kurse und Projekte an einer „Guten Ganztagsschule“ Schüler:innen aus allen sozialen Schichten. Dass gebundene Ganztagsschulen hier mehr Chancengerechtigkeit bieten, zeigt auch der aktuelle Chancenspiegel.

 

  1. Das Lernumfeld

Nicht nur ein anderes Miteinander prägt junge Menschen, sondern auch die gestalterische Qualität der schulischen Lebenswelt. So hat die Architektur der Schule einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Lernqualität. (der Raum als dritte Pädagog:in) Sie soll motivieren, inspirieren, Rückzugsmöglichkeiten anbieten und zu geistigen und körperlichen Aktivitäten anregen. Es ist nicht zuletzt die Gestaltung einer Schule, die moderne Lernmethoden überhaupt erst möglich machen. Neben der reinen Funktionalität müssen auch ästhetische Aspekte mit einfließen. Sie sollen das individuelle Lernen begünstigen und gleichzeitig den „Lernort Schule“ zu einem „Lebensort Schule“ erweitern.

 

Lebens- und Lernmittelpunkt können Lernateliers der Lernteams sein. Dies sind weder Klassenzimmer im herkömmlichen Sinn noch Spielzimmer. Moderne Ganztagsschulen besitzen flexible Raumzonen, bieten Räume zur freien Stillarbeit bis zum vernetzten Unterricht in Gruppen, für Aktivitäten und Entspannung. Die Schule braucht altersgerechte Funktionsräume, die von den Lernpartnern aller Klassen gemeinsam genutzt werden können. Dazu zählen Werkstätten, Musikräume, Naturwissenschafts-Labore, Kunsträume, Präsentationsbereiche, Büchereien, Sporträume und -hallen, Sammlungen, (Theater-) Bühnen und außerschulische Lern- und Bildungsorte.

Neben einer angemessenen Architektur hat die Bereitstellung geeigneter Materialien erheblichen Einfluss auf das Lernverhalten und gibt wichtige Lernimpulse. Der Medieneinsatz sollte weit über klassische Lernmittel wie Bücher und andere gedruckte Medien hinausgehen. Er umfasst neben den neuen Medien, wie elektronische Tafeln und (Tablet-) PCs auch Werkzeuge, Baumaterialien, Textilien, Pflanzen, Lebensmittel und vieles mehr.

 

  1. Das Mittagessen

Das Mittagessen erfüllt die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und beinhaltet viele frische, möglichst regionalen, Lebensmittel sowie Getränke. Speiseräume sind mit einer ausreichenden Anzahl von Sitzplätzen ansprechend einzurichten. Das Mittagessen ist für die Schüler:innen wie die Grundversorgung kostenlos.

Gerade an weiterführenden Schulen sollte gewährleistet sein, dass sich Jugendliche individuell versorgen können; an Grundschulen sollten zwischendurch Getränke und ein Nachmittagsimbiss angeboten werden.

Die Schulverpflegung erfüllt neben der gesunden Ernährung weitere wichtige Aspekte. So werden Tischmanieren, ein respektvoller Umgang mit Lebensmitteln ebenso erlernt, wie Grundlagen gesunder Ernährung. Hier spielen auch Kochkurse eine wichtige Rolle.

Die Zeit des Mittagessens wird vom gesamten Team auch zum persönlichen Kennenlernen der Schüler:innen genutzt. Dies steigert den sozialen Zusammenhalt der Schulgemeinschaft und lässt ein rasches Erkennen von Potentialen und Problemen der SchülerInnen zu.

 

  1. Übungs- und Förderangebote

Übungsphasen als Hausaufgaben sind eine der größten sozialen Ungerechtigkeiten, da sie häufig über das reine Wiederholen und Vorbereiten hinausgehen und auch der Erarbeitung von nicht geschafften Unterrichtsinhalten dienen. Dies erfolgt zudem inhaltlich und methodisch unkontrolliert. Werden Schüler:innen zu Hause angeleitet oder haben ein hohes Maß an Eigendisziplin, gelingt dies zum Teil. Eine große Zahl von Schüler:innen muss dies aber allein bewerkstelligen, z.B. weil sie nachmittags allein zu Hause sind. Auch wenn diese Kinder gleich begabt sind, können sie kaum den gleichen Erfolg wie angeleitete und unterstützte Kinder erreichen. Es bedarf also professioneller Hilfe für Alle. Die Guten Ganztagsschulen kann dies durch Übungs- und Förderangebote im Tagesablauf professionell und zeitlich passend anbieten.

 

  1. Der Weg dahin
  • Wir werden den Dialog mit den Schulen, Lehrkräften und Mitarbeiter:innen suchen: Eine gut aufgebaute und funktionierende rhythmisierte Ganztagsschule ist eine Entlastung für alle Beteiligten.
  • Wir werden einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer kostenfreien rhythmisierten Ganztagsschule wird bayernweit bis zum Ende der Sekundarstufe 1 einführen.
  • Wir werden die Eltern in die schulischen Lern- und Erziehungsprozesse mit einbeziehen. Ein partnerschaftlicher Umgang von Elternhaus und Schule ist dafür Voraussetzung.
  • Wir werden die Kooperation zwischen Schulen und Verbänden sowie Einrichtungen fördern.
  • Wir werden eine weitere Informations- und Imagekampagne, die Gesellschaft, Verwaltung und Politik in ansprechender und angemessener Form über die Arbeit in einer „Guten Ganztagsschule“ aufklärt, durchführen und für die Schulform werben.
  • Wir werden von regionalen Bildungslandkarten zum Aufbau von vernetzten regionalen Bildungslandschaften (Erweiterung der Schulentwicklungsplanung) im Kontext der Landesplanung entwickeln.
  • Wir werden Schulen mehr Autonomie einräumen: Es ist besonders wünschenswert, dass die „Gute Ganztagsschulen“ in hohem Maße selbstständige Schulen sind, die gemäß der Zahl ihrer Schüler:innen und ihres Konzeptes einen Etat erhalten, den sie selbstständig verwalten und über ihren Personaleinsatz selbst entscheiden können.
  • Wir werden eine Informationspraxis einführen, die Schulleitung, Lehrkräfte und Eltern hinreichend und fundiert informiert.
  • Wir werden Fortbildungen zur Konzeption einer „Guten Ganztagsschule“ in das Programm zur Aus- und Fortbildung von Schulleitungen und Lehrkräften sowie der Schulentwicklungstage aufnehmen.
  • „Gute Ganztagsschulen“ bieten „vor Ort Veranstaltungen“ im Sinne von Best Practice Beispielen an.
  • Wir werden Schulträger:innen verpflichten, ihre Schulen bei der Entwicklung von Konzepten zur „Guten Ganztagsschule“ zu unterstützen. Besonders berücksichtigt wird dabei die Umgestaltung der Raumkonzepte mit Einführung von Gruppenräumen, Rückzugs-gelegenheiten, Räumen für Aktivitäten, Besprechungsräume und Lagerräumen sowie die Gestaltung aller Räumlichkeiten als ansprechenden und anregenden Lern- und Lebensort.

 

Fazit. Ganztagsschulen als integrierte Schulsysteme sind die entscheidende Voraussetzung einer Beseitigung des Zusammenhangs zwischen Bildungsherkunft und Schulerfolg. Die SPD setzt sich für die flächendeckende Einführung von rhythmisierten Ganztagsschulen ein. Hierzu werden alle Verantwortlichen aufgefordert, auf die Abschaffung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz hinzuwirken, damit Programme der Bundesregierung stärker als bisher auf die Förderung von Guten Ganztagsschulen hinwirken können.

Barrierefreies PDF: