B1 01 Frühkindliche Bildung

01 Frühkindliche Bildung

  1. Frühkindliche Bildung wird kostenfrei sein.
  2. Bedarfsgerechte Öffnungszeiten sind Bestandteil in der flexiblen Arbeitswelt.
  3. Mit einer Fachkräfteoffensive, einer wertschätzenden Vergütung, die den Qualitätsanforderungen entspricht, wird die Qualität der pädagogischen Arbeit durch Fachpersonal sichergestellt.

 

Einführung. Bereits die ersten Lebensjahre entscheiden darüber, ob ein Kind später seine individuellen Potenziale entfalten kann oder nicht. Kleinkinder profitieren nachweislich umso stärker von Bildung, je mehr die Eltern als wichtigste Erziehungspersonen daran teilhaben und die Kinder fördern. Wir wollen die Erziehungs- und Bildungsplanung in Bayern ohne Brüche gestalten. Die frühkindlichen Einrichtungen gehören ebenso zu einer nachhaltigen Bildungsplanung wie Schulen und Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung. Menschen lernen in allen Altersstufen und an allen Lebensorten, wobei dem frühkindlichen Bereich und der Unterstufe eine besondere Bedeutung zukommt. Zum ersten März 2016 lag die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren in Bayern bei 27,2%. Bundesländer wie Brandenburg (57,2%) oder Sachsen-Anhalt (57%) und zahlreiche Bedarfserhebungen in Bayern zeigen, dass der Bedarf an Betreuungseinrichtungen weit über den in Bayern zur Verfügung stehenden Kapazitäten liegt.

Die SPD steht, wie keine andere Partei, für ein soziales und gerechtes Europa. Dabei wollen wir unser gemeinsames europäisches Haus stärken und durch (bildungspolitische) Impulse aktiv weiterentwickeln und gestalten. Gemeinsam mit unseren sozialdemokratischen Schwesterparteien im Europäischen Parlament wollen wir deshalb die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung europaweit, mindestens durch Ratifizierung der ILO-Leitlinien „zur Förderung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen für frühkindliches Bildungspersonal“, verbessern und wissenschaftlich fundierte Qualitätsbausteine sichern. Damit soll nicht nur das Angebot an frühkindlichen Bildungseinrichtungen ausgebaut und sichergestellt werden, so dass alle Kinder Zugang dazu haben, sondern auch die Professionen gestärkt und die Arbeitnehmer:innen geschützt werden.

01.01 Kompetenzzentren Bildung und Erziehung.

Wir werden ein staatliches, flächendeckendes Programm zum Um- und Ausbau aller vorhandenen Einrichtungen zu „Kompetenzzentren Bildung und Erziehung“ auflegen. Dazu gehören zum Beispiel Beratungsstellen während der Schwangerschaft, Mütterzentren, Kinderkrippen, Kindertageseinrichtungen, Mehrgenerationenhäuser und Grundschulen, die sich in einem gemeinsamen Konzept der individuellen Förderung organisieren. Zu den Aufgaben gehört die Elternschulung und Beratung im Bereich Erziehung, Gesundheit, Ernährung, bis hin zu beschäftigungsfördernden Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen. Dazu gehören auch die Gesundheitsaufklärung und -vorsorge, beginnend in der Schwangerschaft, sowie Krisenintervention bei individuellen Problemen. Die Zuständigkeit für die Kompetenzzentren werden wir im Bildungsministerium etablieren. Dabei ist die Qualität von besonderer Bedeutung. Die dazu notwendige Qualifizierung der Erzieher:innen ist umgehend einzuleiten.

Begründung: Sicher sind die überaus meisten Eltern an einem glücklichen und erfolgreichen Lebensweg ihrer Kinder interessiert. Aber bei weitem sind nicht wenige mit der praktischen Gestaltung gerade der wichtigen frühen Jahre zumindest teilweise auch überfordert. Bildungseinrichtungen, die ihre Arbeit allein auf die ihnen anvertrauten Kinder konzentrieren, werden ihn nicht gut erfüllen können. Familien müssen kompetent und wertschätzend eingebunden werden. Echte Bildungspartnerschaft zwischen den Einrichtungen (Krippe/Tagespflege, Kita, Grundschule und Hort) und der Familie stellt die Einrichtungen vor neue Anforderungen, auf die sie derzeit quantitativ und qualitativ nicht ausreichend vorbereitet sind.

 

01.02 Rechtsanspruch.

Wir werden ein flächendeckendes, mit Rechtsanspruch abgesichertes Angebot von Kinderbetreuungsplätzen auch als Bildungseinrichtungen schon für Kleinkinder verwirklichen. Dies bedeutet für uns keine Verschulung des Kindergartens. Wir wollen hier pädagogische Konzepte und das BayKiBiG ständig weiterentwickeln. Schrittweise muss, beginnend mit dem letzten Jahr, der Kindergartenbesuch verpflichtend sein.

Begründung: Das frühkindliche Bildungssystem ist im Umbruch: Im Zuge der Umsetzung des Rechtsanspruchs jedes Kindes auf einen Krippenplatz nach §24 SGB 8 und des rasanten quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung im U3 Bereich rückt die Qualitätsentwicklung von guter familienergänzender Erziehung, Bildung und Betreuung in Kita und Krippe jetzt in den Fokus. Kindertagesstätten als anerkannte außerfamiliäre Orte der Bildung, Erziehung und Betreuung brauchen verbindliche Qualitätsstandards und Rahmenbedingungen für alle Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren. Diese müssen inklusionsorientiert in die Grundschule hinein weitergeführt werden. Dies sieht die SPD als eine der zentralen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre.

 

01.03 Kostenfreiheit.

Wir werden die Kostenfreiheit aller Angebote, also Kinderkrippen, Kindergärten, etc. durchsetzen und die Finanzierung durch den Freistaat sichern.

 

01.04 Finanzierung.

Damit die Kostenfreiheit erreicht werden kann, müssen die Kommunen, Gemeinden und Landkreise bei ihrem Bemühen verstärkt finanziell von Bund und Land unterstützt werden.

 

01.05 Bedarfsgerechte Öffnungszeiten.

Kindertagesstätten müssen bedarfsgerechte Öffnungszeiten anbieten.

Dafür wird die geförderte Zeit gesetzlich festgeschrieben und von derzeit neun schrittweise auf mindestens 12 Stunden täglich erhöht. Projekte mit bis zu 24 Stunden Betreuung werden wir bedarfsgerecht fördern.

Begründung: Schichtarbeit, Feuerwehr, Polizei, Pflege- und Gesundheitsberufe müssen bedarfsgerecht abgedeckt werden.

 

01.06 Kostenfreies Mittagessen.

In Ganztageseinrichtungen ist das kostenfreie Mittagessen selbstverständlich.

 

01.07 Kostenlose Sprachförderung.

Wir werden gezielte Sprachförderung als Teil von Bildung und gesellschaftlicher Integration für alle Kinder und bei Bedarf auch für Eltern einführen.

Diese Sprachförderung muss kostenlos und bedarfsorientiert für alle Kinder, bei denen die Erzieher:innen Defizite feststellen, sein. Hierfür werden multiprofessionelle Teams (z.B. mit Logopädie) gebildet.

 

 

 

01.08 Tradierte Rollenmuster aufbrechen.

In der frühkindlichen, vorschulischen und schulischen Bildung und Betreuung müssen in den pädagogischen Materialien traditionelle Rollenmuster aufgebrochen werden, damit vielfältige Lebensstile und Kulturen zum Ausdruck gebracht werden können. Die persönliche Entfaltung jenseits von Geschlechterrollen soll im Mittelpunkt stehen.

Begründung 3-8: Kitas sind ein besonders guter Weg, um Kinder aus bildungsbenachteiligten Milieus und mit Migrations-/Transferhintergrund über Spiel- und Bildungsangebote zu fördern und mitzunehmen, Kindeswohl zu gewährleisten, familien-orientierte Armutsprävention und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach vorne zu bringen. Gemeinsam Lernen und Spielen in der Kita ist Alltag: die SPD unterstützt vorrangig den Ausbau und die Entwicklung der Kitas zu vorbildlichen inklusiven Bildungseinrichtungen. Anzustreben ist eine aktive Bildungspartnerschaft mit Eltern sowie weitere an orientierten Unterstützungs- und Hilfeangeboten und die Kooperation mit multiprofessionellen Teams und Netzwerken am Lernort Kita und in der Region.

 

01.09 Forschung an Hochschulen.

Wir werden an den Hochschulen Professuren für frühkindliche Bildung ausbauen und fördern, mit dem Ziel, weitere Handlungsgrundlagen zu erforschen.

 

01.10 Ausbildung im dualen System.

Wir werden die verschulten Berufe möglichst bald in das duale System mit Ausbildungsvergütung und Schulgeldfreiheit überführen.

Dabei muss der Wechsel zwischen Ausbildungs- und Praktikumsstätte vom wöchentlichen Rhythmus auf größere Zeiträume umgestellt werden, die pädagogisch begründet sind. Die Ausbildungsdauer sollte bundeseinheitlich geregelt werden.

 

01.11 Fachkräfteoffensive mit Unterstützung des Bundes.

Die gestiegenen Anforderungen müssen ihren Niederschlag auch in einer guten, inklusions- und praxisgerechten Ausbildung des Fachpersonals finden. Wir werden dies von der Bundesseite durch eine Fachkräfteoffensive für Erzieher:innen unterstützen.

Ziele müssen dabei u.a. sein:

  • Entlastung der Kita-Leitungen bei den Verwaltungsaufgaben
  • Verbindliche Fortbildungsprogramme für alle in Einrichtungen vorschulischer Bildung Beschäftigten,
  • B. durch Verstetigung und Refinanzierung des Programms Pädagogische Qualitätsbegleitung Bayern (PQB).
  • Freistellung der Kita-Leitungen für die pädagogische Leitungsfunktion.

Begründung: Erzieher:innen sind die „Bildungsexperten der ersten Jahre“. Im Rahmen der Aufwertung der Kita als Bildungsinstitution gilt es, den Erzieher:innen-Beruf als Basis des Bildungssystems neu auszuhandeln und umzugestalten. Ziel ist es, mehr Zufriedenheit der Fachkräfte in ihrem Beruf zu erreichen und mehr Zeit für die Bildung der Kinder zu haben, aber auch Selbstbildungsprozesse zu erleichtern und über vereinheitlichte Standards und Aufgaben Transparenz zu schaffen. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeitszeit müssen der anspruchsvollen Tätigkeit angepasst werden. Höhere Abschlüsse, regelmäßige Weiterqualifizierungen, Anforderungen und Tätigkeitsprofile brauchen eine höhere Vergütung.

 

01.12 BAföG-Förderung.

Die sozialpädagogische Ausbildung werden wir umgehend in die Förderung durch das BAföG aufnehmen (z.B. SPS1 und SPS2).

 

01.13 Bezahlung.

Wir werden die erzieherischen Berufe aufwerten und eine bessere Bezahlung durchsetzen.

Dadurch wird die erzieherische Tätigkeit nicht nur materiell, sondern auch gesellschaftlich weiter aufgewertet.

 

01.14 Berechnungsschlüssel.

Notwendig ist eine Fachkraft-Kind-Relation bei gleichzeitig anwesenden Kindern mit altersspezifischen Sollgrößen:

  • 0 bis 1 Jahr = 1:2
  • 1 bis 3 Jahre = 1:3
  • 3 bis 5 Jahre = 1:8
  • ab 6 Jahre = 1:10

Die Gruppenstärke sollte insbesondere bei altersgemischten Gruppen eine Soll-Größe von 15 Kindern nicht überschreiten, davon nicht mehr als fünf Kinder unter drei Jahren.

Wir unterstützen die Forderungen der Bundesverbände von GEW, Verdi und Arbeiterwohlfahrt und werden eine gesetzliche Festschreibung in einem Bundes- Kita-Gesetz und Bundesqualitätsgesetz voranbringen.

Begründung: Die sich verändernden Anforderungen an den Erzieher:innen-Beruf sind in der Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen und als bundeseinheitliche Regelungen in einem Bundesqualitätsgesetz zu verankern. Die SPD fordert im Schulterschluss mit den Gewerkschaften Ver.di und GEW ein bundesweit über das Bundesgesetz einheitlich geregeltes und aufeinander abgestimmtes hochwertiges Ausbildungs- und Weiterbildungssystem für alle Erzieher:innen und Kita-Leitungen. Dies muss einheitliche Regelungen bezüglich bundesweiter Anerkennung und Gleichwertigkeit der Ausbildung über Berufsschulen/duale Ausbildung, Fachakademien, Fachschulen und Studiengänge, der entsprechenden Abschlüsse, Vergütung und Tarife, aber auch eine Vereinheitlichung der Berufsbezeichnung und die Regelung des Kompetenz- und Tätigkeitsprofils der pädagogischen Fachkräfte beinhalten. Die SPD setzt sich für Weiterbildungsangebote auch an Hochschulen oder vergleichbaren Einrichtungen ein. Als zusätzliches Ausbildungsangebot sollen praxisintegrierte bzw. duale Ausbildungsgänge für die Berufe der staatlich anerkannten Erzieher:innen und Sozialassistent:innen gestärkt werden. Diese müssen zum einen die fachlichen Rahmenbedingungen der Ausbildungsstandards der KMK erfüllen und sollen andererseits eine Ausbildungsvergütung auf hohem Niveau des TVÖD beinhalten.

 

01.15 Bundesweites Qualitätsgesetz.

Wir werden ein bundesweites Qualitätsgesetz für frühkindliche Bildung auf den Weg bringen, nachdem sich der Bund an den Gesamtkosten angemessen finanziell beteiligt, mit weiter zu entwickelnden Qualitätszielen (insbesondere Sozialraumorientierung, alltagsintegrierte sprachliche Bildung, Fachkraft-Kind-Relation, Fachberatung und Qualifikation der Fachkräfte), mit wissenschaftlich fundierten Minimalstandards sowie einem Instrumentenkasten, aus dem die Länder ihren vordringlichen Bedarf auswählen können. Das wollen wir mit der Wohlfahrtspflege, mit Elternbeiräten und Wissenschaft sowie mit den Bürger:innen diskutieren.

 

 

 

 

01.16 Sicherung des Bildungsplans.

Eine kontinuierliche Abstimmung der pädagogischen Handlungsoptionen zwischen den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, der Jugendpflege und der Schule stellt sicher, dass der Bildungsplan umgesetzt wird.

 

01.17 Übergreifende ministerielle Arbeitsgruppe.

Die beiden zuständigen Ministerien, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, richten eine übergreifende Arbeitsgruppe ein, die sich um ministeriumübergreifende Probleme kümmert, wie sie täglich in der frühkindlichen Bildung auftreten. Unser Ziel ist es, die frühkindliche Bildung mittelfristig im Bildungsministerium anzusiedeln.

Begründung: In der Diskussion um die Einführung eines Bundesqualitätsgesetzes und partiell auch in einem gemeinsamen Kommuniqué der Länder und zuständigen Bundesministerien geht es aktuell um die Festlegung struktureller, von den Trägern umzusetzenden Standards, die pädagogische Qualität erst ermöglichen. Hierzu gehören die Freistellungen von Kita-Leitungen, die Neuberechnung der Fachkräfte-Kind-Relation, die Frage der Altersmischung, die mittelbare pädagogische Arbeitszeit, die Anpassung der auffälligen regionalen und kommunalen Unterschiede in der Bereitstellung und der (zeitlichen) Ausgestaltung der Angebote, das Thema Fachberatung, Finanzierung und Recht sowie die Ausbildung von Fachkräften.

 

01.18 Vielfalt der Träger.

Wir begrüßen die Vielfalt von Trägern frühkindlicher Bildungseinrichtungen, wo sie mit den Zielen vereinbar sind.

 

01.19 Kindertagespflege.

Wir werden die Kindertagespflege konsequent in das Gesamtkonzept einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung und Betreuung einbinden, um Eltern bei Bedarf eine Alternative zu Krippe oder Kita zu bieten und den Rechtsanspruch für unter dreijährige Kinder auch im ländlichen Raum zu realisieren. Wir werden deshalb gemeinsam mit dem Bund bessere Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Kindertagespflege schaffen. Dazu gehört eine stärkere Vernetzung von Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen sowie die bessere und überregional vergleichbar geregelte Qualifizierung, Fortbildungen und Bezahlung von Tagespflegepersonen.

01.20 Refinanzierung von Zusatzkräften.

Der Einsatz geforderter und gewünschter Zusatzkräfte, sowie von Auszubildenden, wird durch Refinanzierung durch das Land unterstützt.

Begründung: Die inklusive Ausrichtung und Multiprofessionalität in Kita-Teams mit übergreifendem Fachwissen muss Standard in allen Einrichtungen werden. Gemischte Teams aus Fachkräften (Erzieher:innen), Tagespflege, Fach- und Führungskräften und Kolleg:innen aus vielfältigen Berufen einschließlich staatlich anerkannter heilpädagogischer und sozialpädagogischer Fachkräfte und der Tagespflege sind im Personalschlüssel zu berücksichtigen. Bildungspaten (ehrenamtliche Helfer:innen wie z.B. Vorlese- oder Sprachpat:innen), angeleitete Praktikant:innen und Eltern werden als Bildungspartner:innen zu Kooperationspartner:innen des Kita-Teams. Mit Blick auf die Bewältigung des Fachkräftemangels sind Seiteneinsteiger:innen mit didaktischer Vor- und Ausbildung und hoher fachlicher Kompetenz aus anderen Professionen zu berücksichtigen.

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